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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Interview mit Henry Rollins
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musik
Interview mit Henry Rollins

Sportler waren und sich darum mit einem guten Buch in die eigenen vier Wände zurückzogen. Bei mir war das ja nicht anders: Ich kam nicht ins Football-Team, also wurde ich Bücherwurm und Klassenclown.  

Vielleicht haben die Amerikaner auch nur eine grössere Affinität zur englischen Sprache, weil sie viel unverkrampfter mit ihr umgehen und häufiger Slang-Ausdrücke generieren als die Engländer, die sich mehr an ein grammatikalisches Gitter halten.

Ich muss Ihnen erneut widersprechen. In meinen Augen malträtieren die Amerikaner die englische Sprache, und das schon seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit dem Einzug des Fernsehens in die Wohnzimmer. Ich kriege beispielsweise Post von Männern, die als Rechtsanwälte arbeiten, aber von Orthographie keinen Schimmer haben und mir E-Mails schreiben, die sich wie SMS lesen. In den USA gilt: was einfach ist, ist gut. Und das heisst, möglichst wenige Silben verwenden, damit alles, was man sagen will, auf einem Bumper-Sticker, einem Nummernschild oder einem Handy-Bildschirm Platz hat.

Und trotzdem: nirgendwo sind Musiker so stark als Autoren und Verleger engagiert wie in den USA. Vielleicht liegt das aber mehr am amerikanischen Unternehmergeist.

Das kann gut sein. Hierzulande wird einem das Profitdenken sozusagen in die Wiege

gelegt, und dafür muss man sich ja auch nicht schämen. Ich schreibe nicht, nur um Geld zu scheffeln. Wenn meine Firma «21361» jedoch keinen Gewinn abwerfen würde, könnte ich die Löhne meiner Mitarbeiter nicht zahlen, geschweige denn neue Bücher herausbringen. Aber vielleicht hat das Gefälle zwischen Amerika und Europa nur logistische Gründe. In England kostet es viel Geld, Lagerplatz für seine Ware zu mieten und ein Probelokal zu unterhalten. Da haben wir in den USA mehr Raum zum Manövrieren.

Und doch haben Sie als Kleinverleger mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Europäer. Beispielsweise, dass alternative Buchhandlungen von Ladenketten wie Barnes & Noble verdrängt werden.

Dank den Bemühungen einer meiner Mitarbeiterinnen sind wir heute im Sortiment von Barnes & Noble vertreten. Und da sind noch Amazon.com und unser eigener Direktversand. Irgendwie kommt man immer an unsere Bücher und DVDs heran – jetzt erst recht, da man einige unserer Produkte auch gegen Bezahlung direkt aus dem Netz herunterladen kann. Aber es ist schwierig, Marktpräsenz zu bewahren, wenn man ein viel kleineres Werbebudget hat als die grossen Verlage. Zum Glück habe ich in der Punkszene gelernt, wie man mit wenig Geld möglichst viel Wirkung erzielt. Man luchst seinen Freunden und Kollegen Gefallen ab, klaut sich die Telefonnummern wichtiger Leute zusammen