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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Interview mit Henry Rollins
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musik
Interview mit Henry Rollins



überrascht es mich immer wieder aufs Neue, dass ich die Leute mit meiner Sicht der Dinge anlocken kann.

Wegen Ihrer Erzähltechnik, die zwischen Journalismus und Surrealismus pendelt, werden Sie manchmal als Erbe der Beat-Poeten beschrieben…

…dabei kann ich denen nicht viel abgewinnen. Allen Ginsbergs Gedicht «Howl» gehört für mich zwar zum Besten, was die amerikanische Literatur hervorgebracht hat, aber Jack Kerouac lässt mich völlig kalt. Ich habe «On The Road» 1982 gelesen, als ich mit Black

Flag auf meiner allerersten US-Tournee war, aber verglichen mit dem, was ich tagtäglich an Messerstechereien, Anmache und Problemen mit der Polizei erlebt habe, kamen mir seine Erfahrungen ziemlich lahm vor. Für mich waren die Beats intelligente Menschen, die auch noch begabte Wortschmiede waren, aber ich kriege oft das Gefühl, dass sie ihr Zeugs nur zum gegenseitigen Amüsement geschrieben haben. Da kann ich mich mehr für «Black Spring» von Henry Miller begeistern, wo die einzelnen Wörter mit einer sagenhaften Kraft aufs Papier knallen, und ich identifiziere mich auch mehr mit den Autoren der so genannten «Lost Generation», also mit F. Scott Fitzgerald, Thomas Wolfe oder Ernest Hemingway, die sich mit dem ganzen Trauma des Ersten Weltkriegs auseinandergesetzt haben.

Es scheint, als hätten US-amerikanische Rockmusiker eine grössere Affinität zur Literatur als ihre europäischen Gegenspieler. Würden Sie dem beipflichten?


Da bin ich anderer Meinung. MTV macht ja diese Serie «Cribs», bei der Kamerateams die Stars in ihren Wohnungen aufsuchen. Bücher kriegt man bei diesen Hausbesuchen aber keine zu sehen. Eine literarische Tradition werden Sie beim Heavy Metal auch nicht finden. Es sind höchstens die Singer/Songwriter und die Indie-Bands, die eine Beziehung zur Literatur pflegen, aber das liegt wohl eher daran, dass das alles Leute waren, die in der High School keine grossen