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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Interview mit Henry Rollins
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musik
Interview mit Henry Rollins

In den letzten Jahren waren Sie auch im Irak und in Afghanistan unterwegs, um die dort stationierten US-Truppen zu unterhalten. Dabei sind Sie doch Kriegsgegner.

Dass sind doch die meisten Künstler und Komiker, die im Auftrag der United Service Organizations die Truppen besuchen, und die U.S.O. hat auch keine Probleme damit, dass wir eine andere Linie fahren als das Militär. Schliesslich ist sie eine Nicht-Regierungs-Organisation, die viel Unabhängigkeit geniesst. Die Soldaten wussten natürlich, aus welcher politischen Ecke ich komme, aber auch diejenigen, die Bush gewählt hatten und hinter dem Krieg stehen, haben mir dafür gedankt, dass ich den weiten Weg auf mich genommen hatte, nur um sie zu unterhalten. Das Credo, dass Kriegsgegner mit ihrer kritischen Haltung die Arbeit der Truppen unterminieren, wird nur noch von Fox News propagiert. Umgekehrt wird mir manchmal vorgeworfen, dass ich den Krieg unterstütze, indem ich zu den Truppen reise. Da sage ich immer: Es macht doch keinen Sinn, einen Polizisten zur Schnecke zu machen, wenn er einem eine Parkbusse erteilt. Und der Henker, der eine Exekution ausführt, ist ja auch nicht dafür verantwortlich, dass es die Todesstrafe noch gibt. Die Entscheidung, in den Irak einzumarschieren, wurde ganz oben getroffen, und die meisten Soldaten, die den Schlamassel jetzt ausbaden müssen, sind zur Armee gegangen, weil sie sich davon eine gute Ausbildung und einen Ausweg aus der

Einöde des mittleren Westens versprochen haben. Mit Krieg wollten sie doch nichts zu tun haben, aber heute ist der Militärdienst gleichbedeutend mit einem Express-Ticket nach Bagdad.

Seit 2003 haben Sie keine Band mehr und sind vor allem als Spoken-Word-Künstler zu sehen. Haben Sie sich endgültig aus dem Musikgeschäft verabschiedet?

Ich muss Sie korrigieren: 2006 gab es eine Wiedervereinigung der alten Rollins Band, weil der Gitarrist Chris Haskett wissen wollte, wie das so tönt, wenn wir wieder zusammenkommen würden. Die ersten Bandproben haben uns euphorisch gemacht, und dann sind wir auf eine US-Tournee mit 35 Auftritten gegangen. Das waren tolle Konzerte, die auch noch gut besucht waren, aber ziemlich bald ist mir wieder eingefallen, warum wir uns 1997 überhaupt getrennt hatten. Ich kam mir nämlich vor wie ein Ex-Student, der noch ein Jahr nach seiner Diplomfeier auf dem Campus herumhängt, statt sich einen richtigen Job zu suchen. Verstehen Sie mich nicht falsch: ich stelle mich nicht über die Musik, die wir früher gemacht haben, und ich liebe die Burschen in der Rollins Band, aber ich weiss nicht mehr, wie ich mich innerhalb der Rockmusik weiterentwickeln kann. Nur mit einem Mikrofon und meiner Schlagfertigkeit bewaffnet auf die Bühne zu gehen, das ist für mich die viel grössere Herausforderung, als mein altbewährtes Rock-Ding durchzuziehen.