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das kulturelle überformat
Nr. 11 / 5. Februar 2008
#Kolumne von Ernst Molden, Wien
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gedankengang
Kolumne von Ernst Molden, Wien

Markthallen  sich wieder anfühlen wie aufgelassene Kirchen. Als wäre der Wind, dieser Zuglufts-Odem, der durch sie streicht, derselbe.

Ich habe mich ein Jahr lang in allen möglichen Zeitungen, Heftln, Blättchen über diese Schliessung aufgeregt. Habe sogar recherchiert, was meine Standler in Hinkunft alles machen werden: Die Asia-Shop-Familie zieht nach Transdanubien, ins florierende Floridsdorf. Der Gemüsehändler sperrt (särr, särr viellächt) am Rochusmarkt neu auf, wahrscheinlich aber wird er «ganz anderrä Sachä» probieren. Und meine geliebte Hendl-Frau geht in eine Art Vorruhestand, mit Unterbrechungen immer dann, wenn sie einer Verwandten in deren Schuhgeschäft aushilft.
Ich hatte vorgehabt, nicht mehr in die Halle zu gehen in den vergangenen Wochen. Zu traurig war die Agonie. Unlängst aber ist es mir passiert. Ich habe mich verirrt. In meinem ureigensten Revier. Kann also kein Zufall gewesen sein. Von der U-Bahn kommend, wollte ich zur Halle des alten Bahnhofs, die ihrerseits schon recht ausgeschlachtet ist. Zwei Lifte gibt es da unten. Einer kommt beim westlicheren Eingang der Bahnhofshalle an. Der zweite führt direkt in den Markt.
Wenn dieser geschlossen hat, wie jetzt für immer, geht nur seine Aussentür auf, durch die innere kann man aber in den Markt schauen. Ein ehemaliger Wurststand, der nicht einmal eine Ladentheke mehr hat. Der vernagelte Gemüsehändler. Weiter hinten ein anderer Zombiestand, aus bizarren Gründen war noch das bunte Schild elektrisch erleuchtet: Blumen!

Ich ging durch die äussere Tür ins Freie.

Jetzt werde ich, wie in einer grossen Geisterstadt üblich, selbstverständlich weiterleben. Aber der Weg ist, ja, steiniger.

Ernst Molden