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das kulturelle überformat
Nr. 9 / 6. November 2007
#Interview mit Melissa Etheridge
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musik
Interview mit Melissa Etheridge

zusammenzukaufen, damit dieser Teufelskreis von Produktion und Konsum endlich zu Ende geht. Darum will ich nicht immer mehr Merchandising-Artikel auf den Markt werfen, sondern im Gegenteil, ich will auf einen Nullpunkt zusteuern. Irgendwann wird es von mir nur noch Songs und Konzerttickets zu kaufen geben, sonst nichts.

Das wäre dann ein bisschen wie zu Ihren Anfängen, als Sie als unbekannte Sängerin durch die Bars von Los Angeles tingelten.

Ja, für mich würde sich ein Kreis schliessen. Wenn ich nur noch live spielen würde, dann wäre ich eine hundertprozentig organische Künstlerin, und ich hätte keinerlei Probleme damit, ohne Tonträger auszukommen. Derzeit gräbt das Internet den Plattenfirmen ja das Wasser ab, aber ich wäre gar nicht so unglücklich, wenn die ganzen Mittelmänner verschwinden, die sich zwischen mich und mein Publikum geschaltet haben. Ich habe nämlich immer mehr Geld mit Tourneen verdient als mit Platten.

Stimmt das wirklich? Sie sollen ja um die 75 Millionen Alben verkauft haben. Da würde man doch hoffen, dass Sie von diesem Erfolg profitiert haben.


Oh, das habe ich natürlich. Aber die Plattenfirmen schröpfen ja den Löwenanteil des Profits für sich ab, und die Urheberrechtsorganisationen kriegen ja auch

einen Teil meiner Tantiemen. Das geht allen Künstlern ähnlich, darum liest man ja immer wieder von Unglückseligen, die bankrott gehen, weil sie keine eigenen Songs schreiben und darum auf gute Plattenverkäufe angewiesen sind, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn man kein Stammpublikum hat, das einen immer wieder live erleben möchte, nützen siebenstellige Albumverkäufe aber nichts. Auf Songs und Konzerte kommt es an, und damit habe ich mein Geld verdient – nicht mit Plattenverkäufen.  

Tourneen sind von Natur aus ökofeindlich. Bei den Konzerten bleibt ja immer eine Menge Abfall liegen, von den Abgasen der Sattelschlepper ganz zu schweigen. Bringt das eine Öko-Aktivistin wie Sie nicht in Verlegenheit?

Der Abfall und seine Entsorgung sind Sache der Veranstalter, aber ich ermutige sie,  neue Optionen und Lösungen auszuprobieren. Ich denke schon, dass die meisten von ihnen für neue Ideen auf diesem Gebiet offen sind. Ich für meinen Teil fahre heute mit Bio-Diesel, wenn ich auf Amerikatournee gehe, und ich nehme auch grosse Umwege in Kauf,  um die Sattelschlepper und den Tourbus damit voll tanken zu können. Die lokalen Anbieter freuen sich immer, wenn wir mit unserem ganzen Fuhrpark bei ihnen aufkreuzen: für sie ist es natürlich ein Riesengeschäft, auf einen Schlag 500 Gallonen Bio-Diesel los zu werden.