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das kulturelle überformat
Nr. 9 / 6. November 2007
#Bücher über Bücher Teil 9
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literatur
Bücher über Bücher Teil 9

Egomanen hat es wenige, bei vielen fehlt die Selbstsicherheit. Das Zweifeln scheint ein Grundgefühl eines fast jeden Autors zu sein. Schreiben als Zwang, als ein Müssen, als etwas Grossartiges und gleichzeitig Leidvolles. Viele, die mit ihrer Prosa Berühmtheit erlangten, begannen mit Lyrik. Andere haben die Intimität und gleichzeitige Abstraktion des lyrischen Ausdrucks nie verlassen. «Das erste Buch» liest sich auch deshalb spannend, weil die verschiedenen Ansätze letztlich auf irgendeine Art immer in Selbstreflexion münden und so als Gesamtes eine Art «Psychogramm des Schriftstellers» darstellen. Zudem entfacht die Lektüre den Drang, gewisse Debüts aufzuspüren, sich selbst hineinzulesen, um vielleicht gar der heutigen Meinung ihres Schöpfers zu widersprechen.

«Das erste Buch» ist Lesebuch und Nachschlagwerk in einem. Es widerspiegelt die deutsche Literaturgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der heutigen Sicht. Diese Art der Anthologie wurde in dieser Form noch nie realisiert, auch wenn Herausgeber Deckert der Vollständigkeit halber erwähnt, dass es ähnliche Veröffentlichungen bereits 1894 und 1974 gegeben hat. «Die Geschichte des Erstlingswerks», das 1894 erschien und Texte von 19 Autoren präsentierte, ist mit «Das erste Buch» nicht vergleichbar, weil im 19. Jahrhundert unter dem Begriff «Erstlingswerk» oft nicht das Debüt gemeint war, sondern vielmehr das erste, grössere Werk eines Autors. Die 1974 erschienene Anthologie «Eröffnungen» liess die Autoren selbst entscheiden, welches nun ihr Debüt sei: «das zuerst geschriebene, das zuerst gedruckte oder das, mit dem sich der Autor noch aus der Rückschau identifiziert.»

«Die ersten Texte schrieb ich in der Schwellenzeit zwischen analog und digital, auch formal: Ich übertrug die auf weich federnden mechanischen getippten Fassungen auf den Bildschirm, was das rhythmische Gefüge veränderte. Die Texte wurden Flüssigkeiten, liessen sich durchschwimmen, man konnte Flächen umgiessen, ohne Schere und Leim zu verwenden.»
Peter Weber


«Ich bin vom Verfasser meines Erstlings durch mehr als eine Generation getrennt, seine Figuren könnten inzwischen fast meine Enkel sein. Wenn sich die Haut alle neun Jahre vollständig erneuert, stecke ich sogar physiologisch nicht mehr in derjenigen des Verfassers.»
Adolf Muschg