Wie Gerhard Roth erging es vielen der über 90 Autorinnen und Autoren, die von Herausgeber Renatus Deckert die Aufforderung erhalten haben, noch einmal in Gedanken in jene Zeit zurückzukehren, als sie in den literarischen Anfängen steckten. Ein Künstler ist meist in einer kontinuierlichen Vorwärtsbewegung gefangen und die veröffentlichten Werke kommen im Gesamtbild einem Schnappschuss oder einem Tagebucheintrag gleich – einem Teil eines Puzzles, das erst in seiner Gesamtheit die vollständige künstlerische Existenz definiert.
Dennoch ist es verblüffend, dass trotz des meist ablehnenden Gefühls gegenüber der erneuten Lektüre des eigenen Erstlings, derart viele Schriftsteller auf die Anfrage eingegangen sind. Die abgelieferten Texte unterscheiden sich allerdings gewaltig. Siegfried Lenz beschreibt über mehrere Seiten gewissermassen das «Making of» seines 1951 erschienenen Flüchtlingsromans «Es waren Habichte in der Luft». Andere wie Jörg Steiner oder Hans Magnus Enzensberger retournierten nur ein paar wenige, dafür äusserst treffsichere Zeilen.
Wie unterschiedlich die Ansätze sind, die zur eigenen Rezeption führen, hat auch mit der Verortung von Zeit und Raum zu tun. Autoren der Kriegsgeneration haben einen völlig anderen Ansatz als ganz junge Autoren und noch einmal anders sieht es bei jenen aus, die im Osten Deutschlands oder rund um die Wende debütierten. Da mischt sich ins Gedankliche viel Politisches.
«Die Begegnung mit eigenen Werken ist eine unangenehme, zumeist abstossende – ich bin ja keine tibetanische Gebetsmühle, deren Sinn die Wiederholung ist.»
Gerhard Roth
«Ich war mir vielmehr mein ärgster Feind und bin gelegentlich schreiend vor mir davongelaufen. Bis ich mich eines Tages hingesetzt und zu schreiben begonnen habe. Um nicht mehr schreiend vor mir davonzulaufen, sondern schreibend vor mir standzuhalten.»
Hans-Ulrich Treichel
«Nicht gelebt, aber (schon) geschrieben. Bis vor lauter Schreiben für das Leben auch keine Zeit mehr war.Michael Lentz