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das kulturelle überformat
Nr. 9 / 6. November 2007
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  2/5
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

kultursoziologisch interessanteren und – allein vom Thema her – luftigeren «24 Hour Party People» vorziehen, in dem es um die Manchester-Szene und am Rande daher auch um Joy Division geht.

Mich hat «Control», der meist in einem Vorort von Manchester spielt, ans Berlin der Achtziger erinnert, für dessen Darstellung Wim Wenders in «Himmel über Berlin» ebenfalls in Schwarz und Weiss drehen musste. Übrigens fährt dort, in einer Einstellung auf dem Konzert von The Crime and the City Solution, die Kamera an mir vorbei, wie ich in einem fragwürdigen Fischgrät-Mantel angestrengt der Band lausche. 50 Mark gab es damals dafür, dass man sich einen Nachmittag lang in eine kalte Ruine am Potsdamer Platz stellte und beim Konzerthören abfilmen liess. Natürlich war tout Berlin gekommen, weil keiner Geld hatte und jeder eitel genug war, um in dem Film rumzustehen. Wobei die Cooleren natürlich richtig mitspielten.

Gemocht hat den Film dann hinterher, glaube ich, niemand so richtig, obwohl er im Feuilleton wieder den gewohnten Poesie-Verdacht bewirkte, den man in Berlin seit den hymnischen Berichten über «Paris, Texas» als Wimismus führte. Bruno Ganz las Handke-Texte vor, mit deren Imitation man noch heute ohne viel Worte das recht lächerliche Wesen der Prätention demonstrieren kann, wenn man im Ganz-Tonfall sagt: «Als das Kind Kind war» und dabei das R rollend aus der Kehle kommen lässt.

Ganz wurde ja später erst Iffland-Ring-Träger und dann Hitler-Imitator, was er besser hinkriegt als die ganzen blöden Comedy-Typen, die seit einiger Zeit – weil ihnen jede Moral komplett abhanden gekommen ist – ihre Ideenleere immer mit dem markanten Hitler-Schnarren unterstreichen müssen. Jedenfalls waren die schönsten Momente der wendersüblich verblasenen Geschichte jene, in denen Peter Falk als naturalisierter Engel an einer einsamen Imbissbude am brachen Potsdamer Platz