«Rogue’s Gallery» auf. «Miss America» ist ein eigenartiges, wunderbares und einflussreiches Werk. Gemäss der kanadischen Zeitschrift Chart ist es das vierzehntbeste kanadische Album aller Zeiten. Für die britische Illustrierte Mojo gehört es zu den wichtigsten 100 Alben des 20. Jahrhunderts.
«Das Leben ist zu kurz»
Dass O’Hara nicht mehr Alben aufgenommen hat, hängt also nicht mit einem Mangel an Beachtung zusammen, sondern eher mit dem schwierigen Charakter der Künstlerin. Der Legende nach hielt es Andy Partridge (XTC) nicht einmal einen Tag lang in ihrer Gesellschaft aus, als er ihr Album produzieren sollte. Der New Yorker Gitarrist Gary Lucas (einst bei Captain Beefheart und erster Förderer von Jeff Buckley) arbeitete ebenfalls nur kurz mit ihr: «Wir waren beide involviert bei den Aufnahmen eines Tributalbums für den kanadischen Dichter Paul Haines», erzählt er. «Sie kam nach New York und am Anfang verstanden wir uns ausgezeichnet. Sie war grossartig. Ich würde heute noch gern ein Album mit ihr machen, aber sie ist nicht zu greifen. Sie ist wie ein Schmetterling. Je mehr man sie zu fassen versucht, desto weniger kann man sie einfangen. Sie kommt nicht ans Telefon, ignoriert deine Nachrichten. Bis ich es satt hatte. Wer braucht das schon? Das Leben ist zu kurz.»
Kurz vor dem Erscheinen von «Miss America» begegnete ich O’Hara zum Interview. Die Eigenartigkeit dieses Rendez-vous passte perfekt zur Eigentümlichkeit der Musik. Die Bitte um eine kurze Autobiographie löste ein aufgeregtes Kichern aus, dann stürzte sie den Inhalt ihrer Handtasche auf den Tisch – «let’s see: medals, rosaries...» – gefolgt von einer Beschreibung von ihren sechs Geschwistern und deren Aktivitäten: «Maureen - Maureen O’Hara, ein toller Name, nicht wahr? Eine wunderbare Frau, hat vier Buben und wohnt im Westen von Kanada...» Die vergnüglichen, ja fesselnden 45 Minuten waren im Nu verstrichen. Aber beim Lesen des Transkriptes merkte ich, dass vom Sinn des Gesagten wenig