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das kulturelle überformat
Nr. 4 / 26. April 2007
#Interview mit Tori Amos
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musik
Interview mit Tori Amos

Ich komme tatsächlich mehr aus der Wagner-Ecke. Bei Singer/Songwriterinnen weiss man ja immer, was einen erwartet – das sind nicht die Sorte Frauen, die sich ab und zu in Latex stürzen und dich in Angst und Schrecken versetzen. Ich bin aber eine dieser Frauen, darum sehe ich mich auch nicht als Singer/Songwriterin. Früher wurde ich viel mit Joni Mitchell und Kate Bush verglichen, was eigentlich ein Kompliment ist, weil ich einen Heidenrespekt vor diesen Frauen habe. Aber als Musikerin möchte man auch mal mit den Jungs herumtoben und anspruchsvolle Stücke schreiben, die den Schlagzeuger auch mal ins Schwitzen bringen – besonders, wenn man wie ich mit einem der besten Schlagzeuger (Anmerkung der Redaktion: Matt Chamberlain) der Welt zusammenarbeitet.  Diesen Anspruch hatte ich schon immer. Schon damals, mit fünf Jahren, als ich am Peabody-Konservatorium war, sagte ich meinen Lehrern, dass ich Komponistin und nicht Konzertpianistin werden wollte. Die haben mir geantwortet, ich solle doch mal die Frauen aufzählen, die es als Komponistinnen zu etwas gebracht hätten, aber das war ja mit ein Grund, warum ich überhaupt Komponistin werden wollte – gerade weil es keine gab, wollte ich eine werden. Ich wollte aber nicht, dass meine Werke in irgend einem Archiv verschwinden, wo niemand sie finden würde, darum habe ich mich als Singer/Songwriterin getarnt, die sich zuerst ihren Platz in einem populären Medium ergattert, um sich allmählich als Komponistin zu entpuppen.

Neulich sagte mir Dee Dee Bridgewater etwas Ähnliches: Jazzfrauen haben ihrer Meinung nach die gleiche Schwierigkeit, Stilgrenzen zu überspringen, weil ihre Rolle immer viel begrenzter war als die der männlichen Instrumentalisten.

Wenn Männer mit ihrer Identität und ihrem Image spielen, dann sind sie irgendwie cool, aber wenn eine Frau mal gegen den Strom schwimmt, dann sagt man von ihr, sie sei eine Zicke, die immer so tut, als habe sie gerade ihre Tage. Einige Journalisten haben mich schon gefragt, ob das Rollenspiel auf «American Doll Posse» nicht einer Schizophrenie gleichkäme. Ich weiss nicht, ob sie David Bowie dieselbe Frage gestellt hätten, als er in seiner Ziggy-Stardust-Phase war. Aber wie gesagt: ich muss vorsichtig sein, wie ich mich gebäre, um aus der Kategorie der Singer/Songwriterin auszubrechen. Ich weiss, wie gut meine Musik ist, ich darf aber nicht zu preziös mit ihr umgehen und die Diva heraushängen. Ich muss einen regelrechten Seiltanz aufführen, um sie in eine Form zu bringen, die von Aussenstehenden goutiert wird.

Diese vier Rollen, die an Persephone, Artemis, Athene und Aphrodite angelehnt sind…

Eigentlich sind es fünf. Tori singt ja auch einige Songs, aber sie geniesst es richtig, für einmal nicht im Mittelpunkt stehen zu