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das kulturelle überformat
Nr. 4 / 26. April 2007
#Interview Tori Amos
  3/8
musik
Interview Tori Amos

Frau Amos, es gibt vieles, das an Ihrem neuen Album «American Doll Posse» überraschend ist. Unter anderem auch der versöhnliche Ton, den Sie gegenüber uns Männern anschlagen.

Es freut mich, dass Sie das erkannt haben. Die vielen Männer, die als Musiker oder Tontechniker in dieses Projekt involviert waren, sprachen sehr stark auf die Musik an. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Songs wirklich rocken, aber auch damit, dass ich hier kein Männer-Bashing betreibe und mich in gewissen Stücken sogar für sie stark mache. Aber natürlich nicht auf Kosten der Frauen.

Überhaupt scheinen hier sehr viele Ideen und Themen aus Ihrer ganzen Karriere zur Blüte gekommen zu sein. Das Album ist eine regelrechte Kulmination Ihres Schaffens.

Als die Songs sich bei mir anmeldeten, musste ich feststellen, dass es keinen musikalischen roten Faden gab, der sie miteinander verband. Und das braucht man ja, wenn man ein Singer/Songwriter-Album macht, die Einzelteile müssen ein Ganzes ergeben. Ich habe aber beschlossen, mich einfach der Musik hinzugeben und mal zu sehen, wohin sie mich führt. Die Idee mit den verschiedenen Frauenarchetypen hat mit meinem Entsetzen über die religiöse Rechte in den USA zu tun, über diese unsichtbare Macht, die alles kontrollieren will und jeden zum

Staatsfeind erklärt, der eine andere Theologie als die ihre vertritt. Da habe ich mich gefragt: was gibt es, das diese Leute nicht ausstehen können? Die Antwort lautete: die weiblichen Gottheiten, die Ur-Mütter, wie wir sie aus der griechischen Mythologie kennen. Sicher hätte ich auf andere Legenden zurückgreifen können, aber die griechischen Mythen haben den Vorteil, dass man sich auf gewisse Vorkenntnisse verlassen kann: Die Leute wissen noch, wer Aphrodite ist und was sie symbolisiert.  

Wobei diese Mythologie die Reise über den Atlantik keineswegs heil überstanden hat. Auf der Reise mit den Gründervätern der USA ist einiges verloren gegangen.


Das stimmt. Diesen Substanzverlust erkennt man an der Art und Weise, wie der Archetyp der Liebesgöttin Aphrodite heute in Amerika ausgelebt wird. Das sieht in den meisten Fällen nämlich ziemlich vulgär aus. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin eine Amerikanerin, die ihre Schwestern in den USA liebt. Aber sich für weniger als einen Dollar ablichten zu lassen, wie man halbnackt aus einem SUV (Anmerkung der Redaktion: Abkürzung für Sports Utility Vehicle) raus fällt, das ist doch keine brauchbare Strategie, um das Patriarchat in Frage zu stellen. Früher hatten wir diese Kino-Göttinnen, die richtige Verkörperungen der Aphrodite waren – ich denke da etwa an Liz Taylor – und die auch noch grossartige Drehbuchautoren im Rücken