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das kulturelle überformat
Nr. 4 / 26. April 2007
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

in der Walnuss, Granatapfel und Zucker augenscheinlich eine zentrale Stellung einnehmen. Das heisst, ein Gefühl der überwältigenden Befremdung beginnt schon beim surrealen Cocktail. Eierlikör oder Baileys hat der Kellner empfohlen. Wir finden aber noch einen Martini auf der Getränkekarte – allerdings nur einen Süssen. Er schimmert grün wie die nukleare Strahlung im Science-Fiction-Film: Der Lieferant habe die falsche Limonade abgeladen, erklärt der Kellner – Pfefferminz-Limonade. Zum Starter gibt’s Auberginen mit Oel und eigenartigen Gewürzen, sowie eine mit vielen, vielen Granatapfelkernen gespickte Spinat- und Walnusspaste, weiter ein dünnes Fladenbrot mit einer mikroskopischen Käseschicht darin. Vom Aussehen her wirkt das entfernt türkisch, der Geschmack hingegen ist mit nichts zu vergleichen, was uns im bisherigen Leben über den Gaumen gerutscht ist. Nicht unangenehm, nur einfach dali-esk in der Kombination von Aromen, die wir noch nie im gleichen Teller erlebt haben.

Und erst der Hauptgang! Die werte Gemahlin hat Beef bestellt und bekommt dieses in einem tönernen Bratgefäss serviert. Es ist eine Art Gulasch, aber ohne Kartoffeln, dafür mit gepickeltem Gemüse, viel heissem, sauren Essig sowie etlichen Granatapfelkernen. Mein lauwarmes Chicken Satsivi – eine Nationalspezialität, habe ich mir sagen lassen – kommt im ovalen Teller daher. Am linken Tellerende finden sich je zwei Tomaten– und Gurkenscheiben. In der Mitte sind drei Kugeln einer Reis/Mais-Mixtur hindrapiert, mit der man genau so gut Tapete an die Wand kleben oder Babies füttern könnte. Die rechte Tellerhälfte wird von einer grauen Paste bedeckt, die sich als Walnuss-Sauce entpuppt, darin sich allerhand Fleischwürfel, Hautfetzen und Knorpelstücke verstecken, von denen man nur hoffen kann, es handle sich um Chicken. Derweil das Geburtstagskind das kulinarische Abenteuer mit einem Stück Walnusskuchen abschliesst, gönne ich mir zur Desinfizierung ein paar Gläschen Chacha, ein authentisch georgischer Branntwein,