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das kulturelle überformat
Nr. 10 / 4. Dezember 2007
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

drauf los). Ex-Public-School-Schüler können sich denn nächtelang Pointen, Scherze und verrückte Statements um die Ohren hauen, ohne davon auch nur ein Wort ernst zu nehmen (es bereitet besonderes Vergnügen, provokative Meinungen zu vertreten, nicht weil man etwa dran glauben würde, sondern weil daraus ein lustiges Wortspektakel erwachsen könnte). Wenn man da nicht mithalten kann, hat man sich automatisch als Langweiler geoutet. Oder wenigstens als einer, mit dem man nur Dinge bespricht, die keinen Humor verlangen. Manchmal gehe ich mir mit meiner permanenten Ernsthaftigkeit selber ganz gehörig auf den Wecker.

Auf Hochdeutsch ist es noch mal etwas anderes. Hochdeutsch, so habe ich das Gefühl, müsste ich eigentlich können, schliesslich verdiene ich damit meine Brötchen. Und doch – mein Sprachgefühl ist ein Schweizerisches, und dem lässt sich das Schriftdeutsche nur bedingt überstreifen. Es mag nichts mit der Sprache selber zu tun haben und den üblichen Unterschieden zwischen helvetischem und germanischem Usus – möglich, dass es mein Gebrauch von Ironie ist, jedenfalls habe ich in Deutschland immer Mühe gehabt, die Redaktionen von meinen schreiberischen Fähigkeiten zu überzeugen. Und wenn mal eine etwas genommen hat, dann stand es nachher in ganz anderer Form im Blatt: die Grautöne, die Ironien, die leisen Andeutungen waren meistens herausgeschnitten worden, meine Sprache stand nun plötzlich in einem krassen schwarz/weiss da, das mir wenig behagte, denn oft tat es den Sachverhalten, die ich zu beschreiben versucht hatte, Gewalt an. Einmal passierte es mir, dass ein Text, der von einer deutschen Lifestyle-Redaktion als «alles andere als eine Meisterleistung» tituliert und entsprechend zurechtgehobelt wurde, in der Schweiz in höchsten Tönen gelobt und ohne jegliche Veränderungen ins Blatt kam. An so was gewöhnt man sich dann halt. So macht mir heute der Verriss eines deutschen Redaktors nicht halb so viel aus, wie das Gefühl, bei einem witzigen Schlagabtausch am Londoner Stammtisch wieder einmal keine Pointe rechtzeitig losgeworden zu sein.
Hanspeter Künzler