Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 2 / 26. Februar 2007
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
  1/4
gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

«Ugh – Politics»

 
«Don’t good-morning me» erwidert Lauren Bacall sacht verstimmt den unbedachten Gruß einer Assistentin an einem überraschend schönen Morgen während der Berliner Filmfestspiele. Überraschend, weil üblicherweise die Berliner Wintertristesse ewig, also etwa von November bis Mai, währt. In diesem Jahr allerdings erkannte auch Festivaldirektor Kosslick die Zeichen der globalen Erwärmung nicht nur auf der Party zum queeren Filmpreis Teddy, sondern auch im beinah frühlingshaften Februarwetter.

Während des Festivals nicht schon am frühen Morgen allzu forsch begrüßt zu werden ist allerdings trotzdem ein nachvollziehbarer Wunsch. Vor allem die britischen Filmschaffenden nutzen die Berliner Nacht – und bekämpfen ihre Folgen konsequent schon früh. Ich bin nicht der einzige, der die Spuren der Nacht mindestens bis Mittag lieber hinter dunklen Sonnengläsern verbirgt. Für mich ist das schon ein Gebot der Höflichkeit. Seriös und aufgeräumt rumstehen ist der wesentliche Teil meiner Aufgabe, die mich zwei Wochen lang als Gästebetreuer vom einsamen Popschreiberschreibtisch in Kreuzberg weg und direkt ins Land der Roten Teppiche, Luxushotels und Champagnersponsoren von Berlin Mitte hinein führt. Wir sprechen hier nicht vom hippen Mitte, das auch nach dem Gentrifizierungswahnsinn und Medienagentursauftrieb der letzten zehn Jahre noch einige bohemistische Restatmosphäre verbreitet. Sondern von dem Teil Mittes, der jenseits der Prachtstrasse Unter den Linden zwischen Brandenburger Tor und Dom liegt. Wo man einen Steinwurf von verranzten Clubs und Bars und dem Straßenstrich zwischen Oranienburger Straße und Hackeschen Höfen mal eben auf der Friedrichstraße mit Gucci, Boss oder Prada die strapazierte Festivalgarderobe auffrischen oder die neusten Ferrari- oder Bentleymodelle begutachten kann.