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das kulturelle überformat
Nr. 1 / 25. Januar 2007
#Interview
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dossier: Tom Waits
Interview

Mit Ach und Krach habe ich 2004 Tickets für Ihr letztes Berliner Konzert ergattert. Es war ein toller Auftritt – und Marc Ribot an der Gitarre war sensationell.
Tom Waits: Jaaa, das war ein guter Abend. Brian «Brain» Mantia,  der sonst bei Primus spielt, war damals noch dabei. Aber jetzt ist er bei Guns N’Roses und mein Sohn Casey hat das Schlagzeug bei der letzten Amerikatournee übernommen. Er ist wirklich gut, auch wenn es wirklich eine Herausforderung ist, mit der eigenen Familie zusammenzuspielen.

Während den Aufnahmen zu «Real Gone» soll er immer «Räume Dein Zimmer auf» oder «Nimm den Müll nach draussen» verstanden  haben, wenn Sie ihm musikalische Anweisungen erteilt haben.
Jetzt geht alles viel einfacher. Er weiss inzwischen, dass ich ihn mit meinen Anweisungen nicht schikanieren will, und dass es mir in erster Linie darum geht, einen bestimmten Sound hinzukriegen. Es funktioniert also wirklich gut zwischen uns. Jetzt möchte ich Sie aber etwas fragen: gibt es Stücke auf «Orphans», die für Sie waren?

Allerdings.  Die Coverversionen von Skip Spences «Book Of Moses» und Daniel Johnstons «King Kong» hatte ich bisher noch nie gehört.
Das freut mich. Es gibt nämlich viele Leute, die das ganze Zeug sammeln und schon alles bei sich zuhause stehen haben – deshalb meine Frage. Und es gibt noch viel mehr Material, das

wir gar nicht verwendet haben. In der Hitze des Gefechts haben wir sogar einen Fats-Waller-Song vergessen. Aber meine Frau sagt immer, dass das das Problem ist, wenn man zu viele Kinder hat: das eine oder andere davon wird unweigerlich beim Tanken oder Einkaufen verloren gehen.

Sie reden schon seit vier Jahren davon, ein Album mit seltenen Aufnahmen und vergessenen Songs herauszugeben. Sind Sie auf diese Idee gekommen, als sie 2002 Ihre alte Theatermusik für Robert Wilsons «Alice» hervorgekramt haben?
Wir haben diese Stücke und Aufnahmen einfach mal gesammelt, um herauszufinden, ob sie zusammen irgendwelchen Sinn ergeben. «Orphans» dokumentiert nämlich so etwas wie ein kreatives Parallelleben für mich. Wenn man selber an etwas werkelt, kommt unweigerlich jemand anderes vorbei und bittet einen, alles fallen zu lassen und bei seinem Projekt mitzumachen. Wenn man ein Klavier auf dem Buckel hat und irgendwo hintragen will, ist es ja auch immer so, dass jemand einen um Feuer für seine Zigarette bittet. Das ist einfach ein Naturgesetz.

Mit über drei Stunden Musik muten Sie dem Zuhörer ziemlich viel zu. Und doch kann man sich von der ersten bis zur dritten CD durchhören und gleich wieder von vorne anfangen.
Ich muss zugeben, dass ich mit der Bestimmung der Reihenfolge ziemlich