«Die Journalisten wollen mir immer wieder weismachen, dass wir Frauen in der Musikindustrie an Bedeutung gewinnen», meinte Sharleen Spiteri von der schottischen Band Texas unlängst. «Völliger Quatsch. Bis die Frauen bei den Plattenfirmen das Sagen haben, kann von steigender Frauenpower keine Rede sein.» Recht hat sie, die bodenständige Sängerin mit dem Strandhäschen-Image: bei den grossen Konzernen sind immer noch Männer federführend. Während Prince 1992 ein Platz im Kader von Warner Music nachgeschossen wurde, musste Madonna mit Maverick ein eigenes Unternehmen gründen, um an die Spitze einer Plattenfirma zu gelangen.
Und: weil die Männer immer noch am Ruder sind, werden Musikerinnen weiterhin auf maskuline Bedürfnisse hin getrimmt. Die Frau wird mehr über ihr Aussehen als über ihr Talent an den Mann gebracht: sogar die kanadische Jazz-Pianistin Diana Krall klagt, dass sie in Interviews mehr über ihr Image ausgefragt wird als über ihren Gesang oder ihr Klavierspiel. Shirley Manson der Band Garbage meint sogar, das Musikgeschäft unterscheide sich kaum noch vom Sexgewerbe.
Tatsächlich gehören tiefe Ausschnitte und laszive Posen zu den Erkennungsmerkmalen von Christina Aguilera, Gwen Stefani oder Foxy Brown. Diese Tendenz verleitete Joni Mitchell, zweifellos die vielseitigste und einflussreichste Songwriterin der letzten vier Jahrzehnte, zur Aussage: «Muss ich jetzt nackte Haut zeigen, mir öffentlich zwischen die Beine greifen und Tanzroutinen einstudieren, um überhaupt noch als Musikerin wahrgenommen zu werden?»