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das kulturelle überformat
Nr. 8 / 2. Oktober 2007
#Interview mit Annie Lennox
  7/9
musik
Interview mit Annie Lennox

Irgendwann muss es da doch eine Lösung geben. Sonst bleibt nur ein nuklearer Krieg. Ich sehe keine Vernunft. Ich sehe keinen femininen Aspekt neben diesen männlichen Macho-Posen. Es ist alles ein «wir gegen sie» – auf beiden Seiten. Und da ist keine Menschlichkeit drin, kein Respekt für Menschenleben. Die Leute werden zu Wilden. Es bricht einem das Herz.

Um auf den femininen Aspekt auf Ihrer Platte zu sprechen zu kommen: da gibt es diesen Song namens «Sing», der darauf ausgelegt ist, das Star-Prinzip auszubeuten, indem sie darauf eine grosse Menge berühmter Frauen wie Madonna, Celine Dion, Gladys Knight, Shakira, kd lang, Joss Stone um sich versammeln. Wo kam diese Idee her?

Normalerweise hab ich ja keine Agenda, wenn ich einen Song schreibe, nur eine Idee, von der ich ausgehe. In diesem Fall war das anders. Ich wollte mein Lied als Plattform für die Darstellung der Lage der Frauen im Zusammenhang mit HIV/Aids verwenden. Ich habe auf meinen Reisen so viel Missbrauch an Frauen gesehen, und soviel Zensur dieses Themas. Die Frauen brauchen eine Stimme, und in vielen dieser Länder haben Frauen nicht einmal das Wahlrecht. Sie werden als Bürgerinnen dritter Klasse behandelt. Ich wollte also einen hymnischen Song schreiben, und «Sing» ist, was dabei herauskam. Ich schickte eine Einladung an ein paar Künstlerinnen. Und alle reagierten positiv darauf. Alle wollten

mitmachen. Ich versammelte also 23 Künstlerinnen, allesamt starke, erfolgreiche, unabhängige Frauen. Die Einleitung, die man auf dem Song hört, spricht eine Frau, die zu einer südafrikanischen Gruppe namens The Generics gehört. Sie sind alle HIV-positiv und Mitglieder der von Zackie Ahmat gegründeten Treatment Action Campaign, so wie ich. Sie machen Songs, die zum Aktivismus aufrufen und die Haltung des südafrikanischen Präsidenten und des Gesundheitsministers thematisieren. Ich suchte mir einen ihrer Songs aus, in dem es um die Infektion von Kindern durch ihre Mütter geht. Wenn schwangere Frauen die richtigen Medikamente bekommen, kann die Weitergabe an das Baby in der Gebärmutter verhindert werden. Das ist eine sehr wichtige Sache, weil ein Drittel der Frauen in Südafrika HIV-positiv sind. Ein Drittel! Man muss sich das vorstellen: wenn eine Infektion verhindert werden könnte, dann könnte eine ganze Generation von Kindern aufwachsen, die nicht mit dem Virus infiziert ist. Aber wenn die Leute zu arm für die Medikamente sind, gibt es nichts, was sie dagegen tun können. Das ist ein absoluter Skandal. Ich nahm also diese gesprochene Einleitung eines der Lieder der Generics und blendete in meinen Song über. In der Mitte kommen die Gastspiele aller dieser prominenten Künstlerinnen, und am Ende der Nummer mündet die Musik wieder in das Lied der Generics. So wird mein Song eingerahmt und kontextualisiert. Ich werde meine Kolleginnen auch darum bitten, auf ihren Websites Informationen über die Treatment