2007 © Foto: Mike Owen

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das kulturelle überformat
Nr. 8 / 2. Oktober 2007
#Interview mit Annie Lennox
  5/9
musik
Interview mit Annie Lennox

saubere Art ein Ziel treffen, das er kaum sehen kann. Er weiss nicht, ob irgendwer da drin ist, aber es ist ein Ziel. Genauso wie ein Jude in einem KZ eine Nummer hatte, und deshalb existierte er nicht mehr als menschliches Wesen. Er wurde entmenschlicht. Genauso entmenschlicht die Person in dieser Bombenmaschine die Welt da unten: Tod und Verstümmelung unschuldiger Opfer. Ich kann das nicht ertragen und fühle mich dabei auch noch so machtlos. Alles, was ich tun kann, ist darüber singen und schreiben und entrüstet sein. Weil es nicht duldbar ist. Krieg ist nicht duldbar. Aber wir tun es immer wieder und wieder. Ich wusste von Anfang an, dass der Irak ein zweites Vietnam werden würde. Wir schicken die Soldaten in Leichensäcken zurück und halten sie ausser Sichtweite. Ich war in Santa Barbara, einem der schönsten Ecken des kalifornischen Südens. Und jeden Sonntag kam eine kleine Gruppe von Menschen mit Holzkreuzen vorbei, die sie in den Sand steckten. Auf jedem der Kreuze war ein Foto von einem Soldaten angebracht, der im Krieg gestorben ist. Diese Kreuze bedecken schon die ganze Breite des Strandes. Normale Menschen gehen mit ihren Hunden dort spazieren. Sie joggen und sie schieben die Babies in ihren Buggies vor sich her. Wenn man sich die Zeit nimmt, diese Kreuze und die Bilder der Menschen darauf anzusehen und ihre Lebensdaten zu lesen, dann sieht man, dass die für gewöhnlich 18, 19, 20 Jahre alt sind. Unglaublich jung. Und da sind hunderte davon. Es werden immer mehr. Und alle laufen dran vorbei und essen ihr Eis.