Lee Miller with Rolleiflex camera,
                  Egypt, 1935.
                  Unknown photographer.
                  © 2007 Lee Miller Archives.
                  All rights reserved


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das kulturelle überformat
Nr. 8 / 2. Oktober 2007
#Lee Miller
  7/11
kunst
Lee Miller

Bildausschnitten. So wirkt Charlie Chaplin auf einem 1931 mit Naturlicht aufgenommenen Porträtbild wie ein transparenter Vampir, dem man die Engelsmiene partout nicht abnimmt. Millers Stadtbilder andererseits waren eher von Eugène Atget beeinflusst. Zu den aufmerksam erspähten und technisch tadellos umgesetzten Schnappschüssen gehört ein lustiges und doch irgendwie unheimliches Foto: die Rückenansicht von vier Ratten, die auf einer Stange hocken. Abstraktere Aufnahmen von verlaufenem Asphalt, von Stuhllehnen und von architektonischen Sujets gemahnen an die Skulpturen von Brancusi oder die Gemälde von Picasso oder die filmischen Experimente von Moholy-Nagy. Dann plötzlich, 1930, ein wahrhaft schockierendes Bilderpaar: zwei Brüste, im Verlauf einer Mastektomie abgetrennt, auf weisse Teller drapiert, links Gabel, rechts Messer, darunter Zierdeckchen. Nur das Glas fehlt.

1932 zog Miller nach New York zurück und eröffnete zusammen mit ihrem Bruder ein Fotostudio. Das Timing war ungeschickt. Die Wirtschaftslage war schwierig. Aber dank Vogue und der gehobenen Modefotografie schlug man sich zwei Jahre lang durch. Versuche, Porträts «à la manière des surréalistes» zu schaffen (der Künstler Joseph Cornell etwa, über dessen rechter Schulter das Modell eines Segelschiffes schwebt), wirkten nun eher hölzern. In der Tat verging ihr während dieser Zeit die Lust an der Fotografie. Da reiste sie erneut los. Diesmal zog es sie nach Ägypten, wo sie Aziz Eloui Bey heiratete, den Generaldirektor des Eisenbahn-, Telegrafen- und Telefon-Ministeriums. Die Ehe war glücklich unglücklich. Bey brachte scheinbar grenzenloses