abgereist. Miller zog sich in eine nahe Bar zurück. «Zufällig» war es eine supercoole Bar, wo auch Jean Cocteau verkehrte, und zufällig erschien auch der «verreiste» Man Ray. Miller stürzte sich sogleich auf ihn und erklärte ihm: «Ich bin Ihre neue Studentin.» Erstens nehme er keine Studenten, und zweitens verreise er am nächsten Tag, sagte der verdutzte Ray. Kein Problem, entgegnete Miller, sie gehe mit. Das geschah wirklich – und ebenso verpasste ihr Ray, mit dem sie in der Folge drei Jahre lang zusammenlebte, eine umfassende Fotografenlehre. In der Tat geht die Entdeckung der von Ray berühmt gemachten Technik der Solarisation – während dem Entwickeln des Negatives wird Licht in den Raum gelassen, so dass sich um die abgebildeten Figuren schwarze Linien bilden wie bei Modigliani oder die Töne gar umgekehrt werden – auf ein Missgeschick von Miller zurück. Im Dunkel der Dunkelkammer habe sie eine Berührung am Fuss gespürt – eine Maus? – und sie habe unwillkürlich das Licht angeschaltet.
Auch in Paris war Lee Miller das Gesicht – der Körper – des Momentes. Man Ray füllte ganze Bücher mit Aktaufnahmen von ihr. Jean Cocteau setzte sie in einem Film ein. Dazu war sie weiterhin ein viel beschäftigtes Vogue-Mannequin. Sie selber fotografierte kaum Akte (oder wenigstens fehlen solche in der Ausstellung weitgehend), sondern lieber Portraits, Stadtbilder und subtile Vignetten, die zwar den Einfluss des Surrealismus an den Tag legten, jedoch nicht eigentlich als surrealistisch bezeichnet werden können. Vielmehr forcierte sie bei ihren Aufnahmen den Kontrast von Schatten und Licht und arbeitete dazu gern mit ungewöhnlichen Winkeln und