Untitled, [exploding hand],about 1930.
© 2007 Lee Miller Archives.
All rights reserved


Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 8 / 2. Oktober 2007
#Lee Miller
  4/11
kunst
Lee Miller

leidvolle Zeit ihrer Kindheit ist allerdings bloss mit einem Bild illustriert, das ihr Vater Theodore Miller 1915 knipste. Es zeigt die Achtjährige mit burschikosem Haarschnitt und in kuriose Latzhosen gekleidet, wie sie sich im Garten mit herausfordernder Miene an den Pfahl des Vogelhauses lehnt. Die Familie lebte in Poughkeepsie, hundert Kilometer nördlich von New York. Der Vater hatte eine verantwortungsvolle Stelle in der DeLaval Separator Company inne. Zugleich war er ein passionierter Fotograf – die Tochter (es gab noch zwei Söhne) war sein Lieblingssujet. Er hatte keinerlei Bedenken, die kleine Elizabeth nackt in den Schnee zu stellen und ein Bild zu schiessen, das er «December Morn» betitelte. Ebenfalls mit acht Jahren wurde das Mädchen von einem Familienfreund vergewaltigt. Jahrelang musste sie danach peinvolle Kuren über sich ergehen lassen, weil sie bei der unseligen Begegnung auch noch mit Gonorrhö (Tripper) angesteckt worden war. Ihre Reaktion auf den Vorfall bestand darin, dass niemand mehr sie bändigen konnte. Sie tat was sie wollte. Jahre später fuhr sie mit Roland Penrose durch die Gegend, in der sie aufgewachsen war, und zeigte ihm eine lange Reihe von Schulen, aus denen man sie hinausgeworfen hatte. Die Vergewaltigung scheint allerdings weder ihr Verhältnis zum menschlichen Körper noch das Vertrauen zum Vater gestört zu haben. Dieser machte auch noch Aktaufnahmen von ihr, als sie den 20. Geburtstag längst hinter sich gebracht hatte. Eine davon, aufgenommen am 1. Juli 1928, zeigt sie sitzend, zur Seite blickend, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Immer noch trägt sie das Haar androgyn kurz. Es geht von ihr eine bemerkenswert selbstsichere Ausstrahlung aus.