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das kulturelle überformat
Nr. 8 / 2. Oktober 2007
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

dessen akustischer Set schon Wochen vorher ausverkauft war. Und als Beweis deutscher Wettbewerbsfähigkeit spielte mit Paul van Dyk gleich ein Berliner DJ-Weltmeister zum Tanz auf.

Einer der Schirmherren war andrerseits Billy Bragg. Der mit grauen Haaren, sanftem Bäuchlein und super Laune den Eindruck macht, extrem gut gealtert zu sein. Besonders glamourös war er ja noch nie, eher immer der Milchmann sozialdemokratischer Freundlichkeit. Aber angesichts des leibhaftigen CSU-Wirtschaftsministers Glos, der die Messe offiziell eröffnete, war Braggs Sozi-Einlassungen im Kongressteil und abends auch live natürlich ein netter, romantisch-zorniger Blick zurück – als die Musik noch zu irgendetwas gut sein wollte.

Zu Pete Dohertys Eskapaden übrigens fiel Mick Jagger nur ein, dass ihn solches Verhalten heute nur noch langweile. Weil die Stones immerhin noch musikalische Substanz gehabt hätten und nicht nur die Marketingidee von Drogenexzess und peinlicher Rockpose. Im Übrigen hätten sie, so Jagger, nur reich und berühmt werden wollen. Dafür habe man eben die eine oder andere Peinlichkeit in Kauf genommen, allerdings auch ein paar zeitlose Großhits produziert. Billy Bragg formulierte die eigentliche Rockherausforderung schon vor 25 Jahren in «A New England» noch prinzipieller. Sein einziger Grosshit funktioniert noch heute, bei dem er den Refrain komplett vom Publikum singen lässt, das ihn noch immer auswendig kennt. Er geht zur geschrammelten Gitarre – wie schon zu Zeiten thatcheristischer Umtriebe – so: «I don’t want to change the world, I’m not looking for a new England. I’m just looking for another girl.»

Markus Schneider