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das kulturelle überformat
Nr. 7 / 4. September 2007
#Interview mit Ben Harper
  10/11
musik
Interview mit Ben Harper

mit der Kunst einer anderen Person verbunden gefühlt oder Gemeinsamkeiten entdeckt, als dass ich bewusst beeinflusst worden wäre. Bei der Lektüre von Rilke hatte ich mal dieses Gefühl von Gemeinsamkeit, aber wenn sich mein Ego mit solchen Grössen verbrüdern will, mag ich das nicht. Dann zerschlag ich das Ego ganz schnell.

Sie haben diese persönlichen Songs auf Tournee geschrieben. Ist das Schreiben fernab vom trauten Heim, von der trauten Umgebung einfacher?


Vielleicht ist man unterwegs empfänglicher, sensibler, verletzlicher, weil man sich nicht in der gewohnten Umgebung aufhält. Gewisse Erfahrungen werden unterwegs sicherlich intensiver wahrgenommen. Aber das ist natürlich relativ. Paul McCartney stand eines Morgens auf und schrieb «Yesterday», weil er dieses Lied geträumt hatte. Also, man muss nicht notwendigerweise sein Haus verlassen. Es gibt keine Regeln. Dennoch: einen Text inmitten einer Erfahrung schreiben, ist auf jeden Fall anders, als dies anschliessend ausserhalb zu tun.

Aber es hat nichts mit der altbekannten Behauptung zu tun, dass man nur in Momenten kreativ sein kann, in denen es einem nicht so gut geht.

Überhaupt nicht. Man sollte gar nicht erst versuchen, Regeln für die Kreativität zu finden.

Wer Regeln aufstellt, beleidigt die Kunst. Wenn Picasso dachte, heute male ich in Rosa, dann war es halt Rosa. Punkt. Kreativität ist eine Serie von eingekapselten Perioden des Ausdrucks. Es passiert einfach. Ende der Geschichte. Im Übrigen denke ich, dass das Leben auf Tour dem menschlichen Wesen mehr entspricht. Der Mensch war Tausende von Jahren dem Nomadentum verpflichtet, bevor er sesshaft geworden ist. Ich glaube, dass dies unserem Geist näher liegt, als der Drang unser Nest nie verlassen zu wollen. Als Musiker ist man ein Nomade durch und durch. Einer, der unterwegs das Zuhause vermisst und wieder daheim, sich nach dem Unterwegssein sehnt. Man ist in einer Dualität gefangen, die einen unendlich mit Glück, aber auch mit Sorgen erfüllt. Das ist die Spannung, in der ich lebe. Ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist, hängt davon ab, wie durstig ich an diesem Tag bin. Aber daraus schöpfe ich meine Kreativität. Auch wenns oft schmerzhaft ist, möchte ich diesen Zustand nicht hergeben.

Tauschen Sie sich mit Ihrer Frau darüber aus? Sie ist ja in einer ähnlichen Lage, aber in einem anderen künstlerischen Umfeld tätig.

Genau deshalb passen wir so wunderbar zusammen. Wir haben ähnliche Erfahrungen aus völlig verschiedenen Welten, deshalb können wir einander so viel geben. Wir haben ein ungememein hohes Level an Sensibilität