Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 20 / 5. Dezember 2008
#Lydia Davis
  3/5
literatur
Lydia Davis

So kommen die Leserinnen und Leser wöchentlich und monatlich zu neuen Geschichten ihrer Lieblingsautoren und gleichzeitig erhalten junge Talente ein Schaufenster, um sich den grossen Verlagen zu präsentieren. Seit Hemingway, aber vor allem seit Raymond Carver und Alice Munro, ist die «short story» zu einer eigenen Kunstform geworden. Das Geheimnis einer guten Kurzgeschichte liegt in der Verknappung der Handlung und der Worte. Carver ist es mit einfachsten Sätzen jeweils gelungen eine eigentlich banale Geschichte aufzuladen, in dem er das wahre Ausmass der Handlung zwischen die Zeilen verlegte. Praktisch jeder, der sich dem Schreiben widmen will, studiert in erster Linie die Prosa von Carver, ohne wirklich herauszufinden, wie es dem Mann gelungen ist, diese Komplexität in simplen Worten zu vermitteln.


I put that word on the page,
but he added the apostrophe.


Lydia Davis, «Collaboration with Fly»


Eine andere Meisterin der kurzen Form ist Lydia Davis. Sie geht in der Verknappung so weit, dass oft nicht mehr klar ist, ob es sich nun um Prosa oder Lyrik handelt. Neben der Verwendung der herkömmlichen Länge (drei bis vier Seiten), umfassen einige ihrer Kurzgeschichten nicht mehr als drei vier Sätze, andere sind noch kürzer. Davis entschlackt die Sprache in einer fast chirurgischen Art und Weise – als ob sie über ein einziges Wort ein Mikroskop halten würde.