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das kulturelle überformat
Nr. 19 / 10. November 2008
#Interview mit Robert Wyatt
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musik
Interview mit Robert Wyatt

der Schwelle zur Pubertät, plötzlich umgeben von nichts als rostenden Scheunen und grünen Feldern. Das ist nicht das, was man in so einem Alter sucht.

Und die verzopfte Schule, die Sie in Canterbury besuchten, war für Sie auch kein glücklicher Ort.

Sie war nicht wirklich so verzopft, ich machte nur eine sehr schlechte Figur dort. Ich wurde oft mit dem Rohrstock geschlagen. Der Direktor war sehr gewalttätig. Ich war in keinem Fach gut, ausser interessanterweise in der englischen Grammatik. In Dingen also, die sie heute gar nicht mehr unterrichten, über adverbielle Nebensätze und den exakten Unterschied zwischen einem Doppel- und einem Strichpunkt.

Aber diese Schule war auch der Ort, wo der Kern von Soft Machine sich formiert hat. Haben Sie wenigstens daran eine angenehme Erinnerung?

Nein. Ich wäre sehr gern in London geblieben, wo es überall aufkeimende Musiker gab. Mit allem Respekt für die Musiker, in deren Gesellschaft ich mich schliesslich wiederfand: Ich wäre wohl Ende der Sechziger nicht in gar so einem tiefen Haufen Scheisse gelandet, wenn ich zuvor an einem anderen Ort mit anderen Leuten zusammen gewesen wäre.

Wenn Sie also sagen, dass Sie eine Nostalgie gegenüber Zügen hegen, denken Sie dann daran, wie Sie damals per Zug von Kent hinaus nach London gefahren sind?

Absolut. Wir fuhren immer rauf nach London, um Ornette Coleman-Platten zu kaufen. Wir kauften immer eine Platte für alle. Es gab in Kent damals ungefähr sieben Jazz-Fans, aber nur einer von uns kaufte jeweils eine bestimmte Platte, die wir dann gemeinsam hörten. Und manchmal gingen wir uns sogar ein Konzert ansehen. Duke Ellington oder das Modern Jazz Quartet, das war schon was Besonderes. Wir überlegten uns ernsthaft, ob wir von zu Hause weglaufen und in Soho bleiben sollten. Für immer. Aber wir taten’s dann natürlich doch nicht.

Aber diese sieben Leute, von denen Sie sprechen, trafen sich alle im Haus Ihrer Eltern.

Nicht unbedingt. Ich weiss nicht, wo diese Geschichten herkommen.

Ach, die Geschichte ihres Elternhauses als Nabel der künftigen Canterbury Szene ist also auch bloss ein Mythos?

Ich kann mich nicht erinnern, dass da viele Leute hingekommen wären. Schon gar keine Musiker. Es stimmt schon: als ich sechzehn