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das kulturelle überformat
Nr. 19 / 10. November 2008
#Interview mit Robert Wyatt
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musik
Interview mit Robert Wyatt

Sie haben schon öfter gesagt, dass die Person, die Sie vor dem Unfall waren, Ihnen aus heutiger Sicht fremd vorkommt.

Nun, einen Unterschied hat es schon gemacht. Es war auf eine gewisse Weise auch eine neue Chance, weil ich danach offensichtlich nicht mehr Schlagzeuger sein konnte und dies mein Verhältnis zur Musik drastisch veränderte. Was sich auch völlig gewandelt hat: als Jugendlicher glaubte ich an Kunst als eine Art Religion, und dass das Streben nach Schönheit – im weiteren ästhetischen Sinn – für mich die höchste aller Berufungen war. Alles, was dem im Weg stand, musste aus dem Weg geräumt werden. Das glaube ich heute alles nicht mehr. Andere Dinge sind jetzt wichtiger für mich als der Drang nach ästhetischer Perfektion. Freundschaft zum Beispiel. Und dass man anderen Menschen nicht wehtut. Aber diese Veränderung hätte ich vielleicht so oder so durchgemacht.

Vorhin haben Sie die Grosszügigkeit von Phil Manzanera erwähnt. Sein Studio, in dem wir sitzen, wurde auf der Tatsache erbaut, dass Roxy Music nicht nur ein Haufen ehemaliger Kunstschüler, sondern auch eine kommerziell verwertbare Einheit waren. Und einer wie Brian Eno hilft neben Ihnen auch Leuten wie Coldplay aus – selbst wenn er dabei angeblich vor oder während einer Produktion nicht wissen will, wie viel er dafür bezahlt kriegt. Aber er wird schon gut daran

verdienen, das weiss er wohl. Ist Ihnen das bewusst, während Sie mit diesen Leuten arbeiten?

Absolut. Die Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Leuten, mit denen ich mich an beiden Enden des Spektrums treffe, sind enorm. Als ich das letzte Mal mit Karen Mantler sprach, die meiner Meinung nach absolut wundervoll ist, musste sie in New York nebenbei als Kellnerin arbeiten, um ihr Leben zu meistern. Trotz der erstaunlichen Errungenschaften ihrer Mutter Carla Bley und ihres Vaters Michael Mantler ist da überhaupt kein Geld vorhanden. Und dann kenne ich wieder andere Leute, die sich für vollkommene Versager halten würden, wenn sie so viele Platten verkaufen würden wie ich. Aber das scheint alles keine Rolle zu spielen, wenn wir hier gemeinsam in einem Raum sind. Manche Leute haben das Talent, eine Saite anzuschlagen, und Millionen von Menschen wollen das hören. Andere wieder machen etwas, was für sie selbst vollkommen authentisch, aber für wesentlich weniger Menschen nützlich oder attraktiv erscheint. Ich glaube es hat überhaupt keinen Sinn zu versuchen, das eine oder das andere zu sein. Man tut einfach, was man kann, und hofft, dass genug Leute es mögen werden, dass man davon leben kann. Alles, was darüber hinausgeht, ist bloss Unterhaltung. Es ist zwar interessant, die verschiedenen Dinge zu sehen, die Leute mit viel Geld anstellen