Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 19 / 10. November 2008
#Interview mit Robert Wyatt
  12/18
musik
Interview mit Robert Wyatt

Es ist also eine Geschichte der Freundschaften.

Ja, neue Freundschaften und alte, die sich fortsetzen, wie die mit Brian Eno und Phil Manzanera, und ausserdem eine der unwahrscheinlichsten Sachen der Welt, nämlich dass Paul Weller auf jeweils zwei Tracks meiner letzten drei Alben gespielt hat. Er ist also auf sechs meiner Songs mit dabei, sieben, wenn man einen kleinen besoffenen Ausritt mitzählt, nämlich die Version von «September in the Rain», die jetzt auf der vierten Seite von «Shleep» drauf ist. Er versuchte erfolglos, ein bisschen wie Dinah Washington zu klingen, was ich sowieso nicht könnte, aber wir waren eben beide betrunken, da traut man sich alles zu. Es ist wirklich nett, das nun alles auf einmal erkennen zu können.

Alfie: Es erinnert einen daran, wie kurz das Leben ist. Es ist deprimierend. Man denkt sich: Seltsam, das war doch erst vor ein paar Tagen! Wie «Dondestan» zum Beispiel. Ich dachte, wir wären erst letztes Jahr in Spanien gewesen, dabei ist es 20 Jahre her. Bevor du blinzeln kannst, wirst du tot sein. Das ist es dann gewesen.

Sie haben selbst vorher gesagt, dass sich das Aufgebot Ihrer Mitmusiker erweitert und verändert hat, aber all Ihre Platten ergeben nebeneinander ein sehr schlüssiges Bild, selbst «Rock Bottom» neben «Comicopera».

Sie sind nicht gerade David Bowie. Innerhalb jeder Ihrer Platten gibt es zwar verschiedene Welten, aber Sie reisen nicht mit jeder Platte von einer Welt zur anderen.

Ich versuche mich nie neu zu erfinden. Ich mache immer nur weiter und weiter in meinem Versuch, mehr oder weniger dieselbe Platte zu machen. Aber dann kommt immer was anderes dabei heraus, weil die Umstände und die Leute, unter denen ich mich aufhalte, und die Dinge, die ich fühle, andere sind. Meine Grundidee hat sich aber überhaupt nicht geändert. Ich würde es nicht einmal eine Idee nennen. Die Quelle, aus der meine Musik kommt, ist immer noch dieselbe, weil der Input dessen, was ich mir anhöre, einfach eine Verfeinerung davon ist, was ich schon als Teenager gehört habe. Während ich mich also über die Infantilisierung der Politik ereifere, bin ich selbst für immer gefangen in der Adoleszenz eines Jazz-Fans aus den fünfziger Jahren. Ich höre immer wieder und wieder dieselben Platten, und sie verändern die Bedeutung, die sie für mich haben. Aber sie werden auch immer wichtiger, je tiefer sie in die Vergangenheit treten, so wie Familienfotos. Ich habe keine objektive kritische Meinung dazu. Ich könnte auch nicht behaupten, dass die Platten, die ich mag, irgendwie besser wären als die Platten, die irgendjemand anderer mag. Aber das war, was ich hörte, als ich als Hörer und Musiker erwachte. Ich versuche immer noch herauszufinden, warum