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das kulturelle überformat
Nr. 19 / 10. November 2008
#Sadie Jones
  3/8
literatur
Sadie Jones

sicher autobiographisch, obwohl es in den Achtzigern in Läden wie dem «Batcave» natürlich nicht um Jazz ging. Soho ist einfach der Ort, wo es einen als Londoner in diesem Alter hinzieht. Es ist fremdartig, es ist anders als überall sonst wo. Es gibt zwar Leute, die da leben, aber man trifft nie jemand, der sagt: Ich bin verheiratet, habe Kinder und wohne in der Wardour Street. Soho ist von dieser Welt des Wohnens getrennt, es hat Bars und Clubs, die Filmindustrie, Fotostudios, all das, bloss nicht die Art von Gesellschaft, aus der wir alle kommen. Für Lewis ist dieses Nirgendwo etwas Wundervolles.

Ein Nirgendwo, das nur eine kurze Bahnfahrt von Lewis’ Wohnort in der scheinbaren Idylle von Surrey entfernt ist. In dieser quasi-ländlichen, von Londoner Geschäftsleuten besiedelten Gegend herrscht auch heute noch die isolierte, erstickte Atmosphäre, die Sie beschreiben.

Allerdings. Es war schon erstaunlich, wie viele Leute mir das bei meinen Lesungen gesagt haben: Es ist immer noch so! Ich versuchte ja auch nicht eine Sozialgeschichte zu schreiben. Ich schrieb nicht über die Fünfziger an sich, sondern ich verwendete die Fünfziger, um meine Geschichte zu erzählen. Die Leute verhalten sich heute wohl immer noch so:
Sie reden nicht miteinander, sie schlagen
sich und sie trinken.

Sie haben gerade die zentrale Rolle des Alkohols erwähnt. Das erinnert in Ihrem Buch ein wenig an Evelyn Waughs «Brideshead Revisited», in dem das soziale Schmiermittel der Oberschicht ebenfalls die Dämonen hinter der Fassade zum Vorschein bringt.

Ich sehe den Alkohol als ein handelndes Element der Geschichte, genauso wie das Dorf und den Fluss. Manchmal hat er auch einen guten Einfluss, er hilft Lewis weiter. Er ist natürlich auch eine destruktive Kraft, aber ich wollte keinen Kommentar über den gehobenen Mittelstand abgeben. Das war einfach das Milieu, in dem sich diese Geschichte ereignet. Ich weiss auch nicht, wo diese Dinge herkommen.

Es stellt sich beim Lesen auch erst nach und nach heraus, in welcher sozialen Schicht wir uns aufhalten, weil das Geschehen aus einer kindlichen Perspektive geschildert wird. Diese Leute können sich selbst in den Jahren der Lebensmittelrationierung ganz gutes Essen leisten. Haben sie recherchiert, ob so etwas überhaupt möglich war?


Ja, das war sehr interessant. Ich habe erfahren, dass Restaurants von der Rationierung ausgenommen waren. Wenn man genug Geld hatte, konnte man jeden Abend Fleisch essen. Ich fand das faszinierend, denn was die