Damals in den fünfziger Jahren, als Londoner Banker noch solide Herren waren, die mit Melone, Schirm und Stecktuch zur Arbeit gingen, nannte man das pseudoländliche Idyll rund um die Stadt noch den «Stockbroker Belt» (Börsenmaklergürtel). An den verschwiegenen Enden von grünen Büschen gesäumter Strassen langweilten sich Hausfrauen und Teenager hinter respektablen Fassaden, während die Väter in London ihr institutionalisiertes Doppelleben führten, und im Grossen und Ganzen hat sich an diesem Rezept für entfremdete Familienleben auch bis heute wenig geändert. In dieser spiessig repressiven Umgebung hat die Britin Sadie Jones «The Outcast», auf Deutsch «Der Aussenseiter», angesiedelt – einen zutiefst atmosphärischen, souverän ungekünstelt geschriebenen Debüt-Roman, der sie praktisch über Nacht von einer erfolglosen Drehbuchschreiberin zur Bestseller-Autorin gemacht hat. TheTitle traf Jones in einer Bar in Soho, unweit jenes fiktiven Jazz-Clubs, in dem ihr Romanheld im Buch seine Unschuld verliert.
Sadie Jones, wir sitzen hier in genau jenem traditionell verruchten Teil der Stadt, in dem Ihre Hauptfigur Lewis den Sex und ein neues Selbstgefühl entdeckt. Haben Sie eine spezielle Beziehung zu Soho?
Vermutlich ja. Man denkt immer, dass man alles aus dem Nichts heraus erfindet und dann kommt man drauf, dass es sehr wohl mit dem eigenen Erleben verbunden ist. Rückblickend ist mir das zum Beispiel in der Szene aufgefallen, wo Lewis und seine Freundin zusammen einen Club in Soho besuchen. Das war