Der Anlass dieser Kolumne sass, wenn er mal sass, auf dem Zuschauerbalkon in der gleichen Reihe wie ich (bequeme Schalensitze, übrigens, und nicht aus Plastik!), ein paar Sessel weiter links. Es war ein gewitzt dreinschauendes Bürschchen, vielleicht so acht, neun Jahre alt, hier mit seinen Eltern, um den etwas älteren Bruder beim Crawlen anzufeuern. Nun trug dieser Schlingel ein T-Shirt, und auf dem T-Shirt stand der Satz: «I cry tears of joy – on the last day of school». What a message! So richtig subtil, um den Kleinen auf eine Lebzeit eifrigen Lernens und Respektes fürs Lernen vorzubereiten. Ein regelrechter Terrorakt gegen die Zukunftschancen des eigenen Kindes! Vielleicht hasst der Kleine die Schule und seinen Lehrer ja wirklich. Aber ihm diese Situation auch noch auf die Nase zu binden? Keine Hausaufgaben machen zu wollen? No problem – Papa und Mama finden es ja amüsant. Den Lehrer fertig machen? Wunderbar, der Quälgeist verdient so etwas ja nur. Also, vom Elternhaus sanktioniert ein T-Shirt überzustreifen, das die Message trägt: Die Schule ist nichts für mich, was sagt das aus über die Chancen des Buben, anders aufzuwachsen als mit dem Gefühl, Schule und Lernen seien das blanke Gegenteil von Surf, Beat und Fun? Oder ist der kommunale Analphabetismus unterdessen so weit fortgeschritten, dass ein Satz, der sich nicht hauptsächlich aus Worten wie u, h8 oder xxx zusammensetzt, gar nicht mehr als Sprache wahrgenommen wird?
Die Annahme drängt sich etwa auch dann wieder auf, wenn man den Verkaufsboom von einer ganz anderen Art von Kinder-T-Shirts beobachtet: Shirts, die knalleng und rosarot an den omelettenflachen Oberleibern von achtjährigen Girls kleben, und auf denen in goldenen Las-Vegas-Buchstaben Worte wie «sexy» und «Lolita» prangen, oft in Kombination mit einer leckenden Zunge oder einer überschäumenden Colaflasche. In der Tat wimmelt es in den Strassen von Kilburn von zehnjährigen, bauchfreien und üppig