Foto: 2008 © James Minchin III

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das kulturelle überformat
Nr. 17 / 5. September 2008
#Porträt
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dossier: Brian Wilson
Porträt

gar berührt zu werden, heisst kein Herz in der Brust zu haben. In all ihrer harmonischen Überlegenheit und lebensbejahender Frische schwingt doch immer der Grundton der Zerbrechlichkeit mit. Von all den Freuden und Hoffnungen, die die Beach Boys besangen, schien Wilson immer ausgeschlossen. Ihm blieb nur die Sehnsucht.

Sensibel war Wilson schon immer gewesen, seine Feinfühligkeit mag sogar sein Talent erst ermöglicht haben. Anfang der 1990er-Jahre erzählte er dem englischen Fernsehsender BBC vom ersten Mal, als er «Be My Baby» von der Girl-Group The Ronettes im Autoradio hörte. Er habe das Auto anhalten müssen, so Wilson, um keinen Unfall zu verursachen. Der dichte Sound, den der Produzent Phil Spector hingekriegt hatte, habe eine beinahe physische Wirkung auf ihn gehabt. Und diese Intensität versuchte Wilson immer wieder herbeizuführen, sei das mit Drogen oder mit exzentrischem Verhalten. Dass er Sand um seinen Flügel streute, oder sich und seine Mitmusiker mit Feuerwehrhelmen ausstattete, um in die jeweils richtige Stimmung zu kommen, gehört mittlerweile zum Wilson-Mythos.   

Fakt ist, das Wilson nach Abbruch der Aufnahmesessions zu «Smile» als Komponist verstummte und nach 1967 vor allem für seine Kokaineinnahme und Fettsucht berühmt blieb. 1975 zog seine damalige Frau Marilyn den Psychologen Eugene Landy hinzu, um die Abwärtsspirale des grotesk Übergewichtigen zu bremsen, und Wilson war bald soweit, dass er mit «Love You» ein ganzes Beach-Boys-Album schreiben konnte.