Eines der Kernmotive in Nootebooms Werk ist die Erkenntnis, dass wer reist, nicht nur eine neue Umgebung entdeckt, sondern auch sich unentwegt selbst neu kennenlernt. Dieses Grundmotiv durchzieht nicht nur seine Reportagen, sondern auch seine Romane. Ob er nun fremde Länder durchwandert, oder bloss in seinem eigenen Kopf die Phantasie durchleuchtet. Das Neue wartet unentwegt. Der Weg ist nicht alleine das Ziel, das Denken auf diesem Weg hat es ihm angetan. In Romanen wie «Rituale», «Allerseelen» oder «Die folgende Geschichte» unterzieht Nooteboom seine Geschichten immer wieder der Überprüfung von aussen. Oft erscheint der Autor im Buch selber, weil der Autor das Fiktive mit der Wirklichkeit koppelt, das Gedachte mit dem tatsächlich Erlebten, der Schein mit dem Sein.
Diese Wechselwirkung, mit der er auch als Nomade und Kosmopolit die Welt betrachtet, mündet in seinem Essay über Cervantes an einem Ort, den er selber nicht besser hätte erfinden können. Cervantes, auch er einer, der mit «Don Quijote» der Wirklichkeit mit der Einbildung trotzt (oder umgekehrt?), entlieh das Haus der fiktiven Dulcinea der Wirklichkeit. Und so lässt sich dieses Haus noch heute besichtigen. Oder wie Nooteboom schreibt: «Für einen, dessen Leben das Schreiben ist, ein denkwürdiger Augenblick. Das echte Haus von jemandem zu betreten, den es nie gegeben hat, ist keine Kleinigkeit.»
Das Brevier gibt nicht nur durch längere Passagen Einblick in die Gesamtwelt des Autors und dessen Schreibstil. Nooteboom schafft es auch immer, Einsichten in kurzen markigen Worten zu erfassen,