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das kulturelle überformat
Nr. 26 / 24. Juli 2009
#Kolumne von Hanspeter Künzler, London
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gedankengang
Kolumne von Hanspeter Künzler, London

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Fünfzig sei das neue Vierzig, heisst es

Man sei nur so alt wie man sich fühle, lautet ein geflügeltes Wort, das in den letzten Jahren dermassen überstrapaziert worden ist, dass es unterdessen vor lauter Erschöpfung kaum mehr vom Boden abheben kann. Gottseidank haben sich fündige PR-Leute im Dienste des Verkaufes von einem fortgeschrittenen Alter als wünschbarem Zustand vor einiger Zeit einen neuen Spruch einfallen lassen, einen ziemlich flexiblen sogar: Fünfzig sei das neue Vierzig heisst es da. Oder auch: Sechzig das neue Fünfzig. Die britischen Medien sind ganz  begeistert von dieser neuen Einsicht und drucken reihenweise Fotostrecken ab mit bunten Kleidern für 70jährige, die sich fühlen wie ganz junge 60jährige. Als ob Farben im Alter vorher verboten gewesen wären!

Immerhin hat die Maxime erfreulich viel Platz für grosszügige Ausnahmen. In gewissen Fällen – bei mir zum Beispiel – ist ja Fünfzig eher das neue Dreissig. Andererseits kenne ich den einen oder anderen 20jährigen, der daher kommt wie ein 50jähriger. Und all diese penetrant lauten Teenager mit ihren Halbmasthosen und amerikanischen Kraftausdrücken können mit der Maxime mühelos zum quengelnden Kleinkind reduziert werden: sechzehn, das neue sechs.

Vielleicht hängt es mit der allgemeinen Angst über die Zukunft der staatlichen Altersversorgung zusammen. Oder mit einem gemeinschaftlichen Versuch der Modeindustrie, ihren potentiellen Markt nach hinten hinaus auszudehnen, jetzt, wo die Kundengruppe der Erst- und Zweitklässler bis zum Sättigungspunkt mit moralisch