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das kulturelle überformat
Nr. 32 / 10. August 2010
#Interview mit Philippe Auclair, Fussballphilosoph
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360°
Interview mit Philippe Auclair, Fussballphilosoph

wenn ich es nicht kaufen konnte. Gib ihnen meine Nummer, gib ihnen meine Adresse!» Nach dieser Begegnung gab France Football bei mir einen Artikel über den Chelsea FC in Auftrag, und ich schrieb ein Essay, das weit über den Fussball hinausging.

Das war eine sehr interessante Zeit für Chelsea, als Künstler und Musiker wie Damon Albarn und Damien Hirst Woche für Woche auf der Tribüne standen.


Absolut. Fussball war wieder cool geworden. Bis dahin hatte der englische Fussball immer noch den Makel des Hooliganismus getragen, und die Vereine hatten Schwierigkeiten, ihre Stadien zu füllen. Es ist heute nur schwer vorstellbar, aber wenn man damals ein Arsenal-Spiel sehen wollte, konnte man einfach am Eingang sein Ticket kaufen. Die EM 1996 änderte alles. Plötzlich holte sich Fussball wieder den Platz in der englischen Kultur zurück, der ihm zustand. Aber gleichzeitig öffnete er sich auch nach aussen hin. Eric Cantona war 1992 angekommen, Arséne Wenger 1996, Gianluca Vialli war da, Ruud Gullitt, Jürgen Klinsmann, David Ginola, Dennis Bergkamp. Der englische Fussball explodierte nach aussen, es war die Cool Britannia, aber mit ein paar Jahren Verspätung gegenüber der Musik.

Wie das meistens so ist.

Richtig, eine Verzögerung ist immer da. Ich wurde also von France Football damit beauftragt, mich darum zu kümmern. Ich schrieb nicht aus der Perspektive eines Sportjournalisten, sondern aus der eines Londoners, und sie wollten mehr davon. Es war eine dieser glücklichen Fügungen, die einem das Leben vor die Füsse wirft. Ich konnte plötzlich gratis zu allen Matches gehen, das war unglaublich. Am Ende kam es so weit, dass ich heute in Frankreich als der Spezialist für englischen Fussball gelte. Ich bin ständig präsent auf einem der Kanäle, durch den die Leute Fussball konsumieren. Das hat mein Leben völlig verändert. Eigentlich sollte ich ja mit Studenten über Immanuel Kant reden, Ästhetik war mein philosophisches Spezialgebiet. Stattdessen schreibe ich über Wayne Rooney. Dazwischen liegt eine unglaubliche Distanz, aber eigentlich auch wieder nicht.

Wenn man sich das nun anhört, klingt Ihre Wandlung beinahe opportunistisch. Andererseits haben Sie schon 1991 oder 1992 Songs über Fussball geschrieben. Zum Beispiel einen über Eusebio oder «When Georgie Died» über George Best. Das war alles lange vor ihrer Fussballjournalisten-Karriere.

Ja, das war vorher. «When Georgie Died» ist einer meiner Lieblingssongs, immer noch. Die