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das kulturelle überformat
Nr. 25 / 22. Juni 2009
#Independent Labels und ihre Rolle
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dossier: 50 Jahre Island Records
Independent Labels und ihre Rolle

Gordy Jr. am eigenen Leib erfahren. Dank seiner Ko-Komposition «Reet Petite» und Jackie Wilson war er schon zu Hitparadenehren gekommen. Bereits auch hatte er Smokey Robinson und dessen Miracles entdeckt und schürte Pläne, das erste erfolgreiche Plattenlabel zu starten, das ganz in schwarzem Besitz war. Da kam sein Bruder mit einer lüpfigen Nummer daher, die er selber geschrieben hatte. Die von Berry organisierten Studiomusiker wollten das Stück zuerst nicht spielen: es klinge zu «weiss», sprich: zu poppig, um in ihrem angestammten R&B-Markt reüssieren zu können. Gordy nahm es trotzdem auf, die Single – gesungen von «Bob Kayli», ein Pseudonym des Bruders – fand sogar einen respektablen Vertrieb und wurde am Radio gespielt.

Die Sache entwickelte sich vielversprechend und es folgte ein Auftritt in der TV-Sendung von Dick Clark. Nun geschah das Gegenteil von dem, was Gordy erwartet hätte: kein Mensch wollte die Single noch kaufen. Das R&B-Publikum hatte sich eh nie besonders dafür interessiert, und das weisse Pop-Publikum war verstört, dass ein schwarzer Sänger ein solches Lied sang. Der Flop inspirierte Gordy dazu, aus schwarzen Elementen eine Popmusik zu formen, die gleichermassen «farblos» sein würde. Mit 1000 Dollar aus der Kasse seiner Familie gründete er Motown Records und machte sich mit einer Hausband und einem Stab von jungen, ehrgeizigen Songschreibern daran, dieses Ziel zu verfolgen. Innert kürzester Zeit knackten seine Künstler en masse die Pop-Top-Ten: The Temptations, The Miracles, The Four Tops, Marvin Gaye, Junior Walker, Stevie Wonder, Mary Wells, The Marvelettes, Martha and the Vandellas