Schuld ist bestimmt auch die gnadenlose Boulevardisierung des britischen Alltages, von dem auch die Politik erfasst worden ist. Die Boulevardpresse beschäftigt sich nur noch mit politischen Fragen, wenn sich darin ein Element verbirgt, das man sensationsmässig aufbauschen kann. Da werden die gewöhnlichen, normalen Fragen, welche die Führung eines Staates täglich zuhauf aufwirft, gar nicht mehr wahrgenommen. Kein Wunder, dass die Leute das Interesse an der Politik verlieren, wenn die Politiker nicht Schritt halten können mit den publicity-wirksamen Schlägereien und Abstürzen, bei denen sich Fussballer und Big Brother-Freaks immer wieder ertappen lassen.

Wenn ich im stillen Londoner Pub in die Zeitung schaue – natürlich keine Boulevardzeitung – kann ich mich indessen des Eindruckes nicht erwehren, dass anderswo im Land andere Sitten herrschen. In meinem Quartier, Kilburn, sind die Spuren der Rezession zwar durchaus zu beobachten: überall die verbarrikadierten Schaufenster von Pleite gegangenen Shops (interessanterweise waren die ganz billigen Shops zuerst weg – sie hatten offensichtlich so nah am Abgrund kalkuliert, dass sie das Ausbleiben von Käufern für ihre Plastikseifenschalen bereits über die Klippe trieb). Aber – so vermutet man beim Blick in die besagte Nicht-Boulevardzeitung – es existieren im Norden weite urbane Mondlandschaften, wo es NUR diese Billigst-Shops gibt, denn etwas anderes kann sich keiner mehr leisten, und da wird ohne Zweifel heftiger über Politik alias Gordon Brown gewettert.

Nicht dass ich Lust hätte, dies genauer in Erfahrung zu bringen. Hat es die Wählerschaft vom Nordwest-Distrikt und von Yorkshire & Humber doch tatsächlich geschafft, bei den Europarlamentarier- Wahlen am Wochenende zwei Mitglieder der zutiefst rassistischen und überhaupt idiotischen British National Party nach Europa zu entsenden. Einer davon, der Parteivorsitzende Nick Griffin, redete