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das kulturelle überformat
Nr. 25 / 22. Juni 2009
#Wiedergesehen: Aki Kaurismäki, «La Vie de Bohème» (1992)
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film
Wiedergesehen: Aki Kaurismäki, «La Vie de Bohème» (1992)

Das freilich oft so funktioniert wie eine kleine Szene, in der Rodolfo sehr routiniert «du rouge» bestellt und für seine Groschen darauf ebenso selbstverständlich einen Fingerhut voll Rotweins eingeschenkt bekommt. Damit würden es die meisten anderen gut sein lassen. Bei Kaurismäki jedoch darf der gebeutelte Mensch mit höchster Würde das demütigend geringe Gefäss leeren.

Wenn man möchte, liegt in dieser menschenfreundlichen Ironie die einzige grosse Geste, die Kaurismäki sich gestattet – und seinen stets steinern-standhaften, prachtvollen Darstellern. Wer könnte so stolz, zart und doch berserkerisch wie Karl Väänänen als Schaunard sein sehr gewagtes Klavierstück mit Sirene vom «Einfluss des Blau auf die Kunst» darbieten; wer ein 21-aktiges Drama mit Heldenpose gegen noch die kleinste Streichung verteidigen wie André Wilms als Marcel; und wer wie Rodolfo der Geliebten Wärme schenken, in dem er seine Jugendgedichte verheizt? Wer, schliesslich, ausser Kaurismäki könnte eine derartige emotionale Tiefe in Dialogen aus oft allerlustigstem Pidgin-Französisch ausloten?

Natürlich gibt es in den ganz ausgezeichneten Schwarz-Weiss-Aufnahmen Timo Salminens auch viel Gelegenheit, die schimmernde Poesie des französischen Kinos der Dreissiger, von Carné oder Renoir anzuspielen; Jean-Pierre Léaud wiederum, das Gesicht der Nouvelle Vague, gastiert erstmals bei