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das kulturelle überformat
Nr. 25 / 22. Juni 2009
#Wiedergesehen: Aki Kaurismäki, «La Vie de Bohème» (1992)
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Wiedergesehen: Aki Kaurismäki, «La Vie de Bohème» (1992)

1992 veröffentlichte Verfilmung des Romans von Henri Murger aus dem 19. Jahrhundert – einst Vorlage für Puccinis Oper «La Bohème» und zuletzt für den erwartbar eher plumpen Film «The Rent» von Chris Columbus – zeigt das auf die eindrucksvollste Weise. Der Zusammenhalt der Künstler, deren zweifelhafte Begabungen Kaurismäki stets durch ihre leidenschaftliche Kompromisslosigkeit vor der Lächerlichkeit bewahrt, ist beispielhaft – und unterstreicht Kaurismäkis in den Produktionsnotizen geäusserte Absicht, den Stoff vor der «bourgeoisen Interpretation» Puccinis zu retten. Sein Künstlerelend wirkt nie niedlich, die Kunst ist so ernst wie das Leben hart, und Geld zentrales gesellschaftliches Motiv.

«La Vie de Bohème» ist einer der schönsten Film des stoischen Romantikers; die Rolle des Rodolfo zudem eine Paraderolle für den grossen Matti Pelonpää, der 1995 mit gerade 44 Jahren gestorben ist und so sehr zum Ensemble Kaurismäkis gehörte, dass er noch 2002 in «Der Mann ohne Vergangenheit» gleichsam posthum einen akzentuierten Auftritt als Portraitfoto an einer Barwand erhielt.

Das Leben der Kaurismäki-Bohème besteht aus einem oft schon grotesken Elend. Einmal kocht Rodolfo sogar einen Knochen seines Hundes aus, um der Geliebten Mimi eine Suppe anbieten zu können. Doch rettet Kaurismäki seine Tristesse, in dem er sie durch seine hoch entwickelte Technik des lakonischen, oder vielleicht – im Geiste Godards, einem seiner grossen Vorbilder – materialistischen Schnitts vor dem Pathos bewahrt. Der verweigert sich ausladenden Kommentaren und lässt keinen Platz fürs Symbolische. Er hält sich ans Faktische.