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das kulturelle überformat
Nr. 15 / 5. Juni 2008
#Street Art
  7/10
kunst
Street Art

Graffiti waren nebst Balladen und Bänkelgesängen eines der wenigen Mittel, mit denen sich die ungebildeten Massen doch noch irgendwie Gehör verschaffen konnten, ohne irgendwelchen Kontrolle zu obliegen. Das stiess denen, gegen die sie sich wehrten, natürlich sauer auf. Wohlhabende Menschen hatten in der Tat einigen Grund, sich vor Graffiti zu fürchten, waren sie doch ein effizientes Kommunikationsmittel unter Einbrechern, Tipps über die Lage der Schätze und ihre Erreichbarkeit auszutauschen.

Der ungarische Fotograf Brassaï machte während seinen langen Wanderungen durch das Paris der 1930er Jahre viele Aufnahmen von Graffitis, Strassenkunst und kritzelnden Kindern. Derweil anonyme Kunst ein Lieblingsthema der Surrealisten war, die emsig afrikanische Volkskunst sammelten, fand Brassaï seine Anonymkunst in den Gassen der ärmeren Stadtteile von Paris.

Auch in der Filmversion der «West Side Story» sind Graffiti zu sehen – hier waren sie als territoriale Markierungen von Gangs zu verstehen. Um 1970 herum sei es aber möglich geworden, in New York eine neue Art von Graffiti auszumachen, die nichts mehr mit Gangkultur zu tun gehabt hätte, schreibt Lewisohn: «Die Evolution des Graffiti Writing vom Moment, als das Tagging (Anmerk.: das Sprayen von stilisierten Namenskürzeln) erfunden wurde, bis zu dem Punkt, wo es als eine Bewegung erkannt werden konnte, war extrem schnell, es vergingen kaum mehr als fünf Jahre. Auf kultureller Ebene war es ein einmaliges Phänomen. Dessen Wichtigkeit kann kaum überschätzt werden. Ein Phänomen wie dieses,