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das kulturelle überformat
Nr. 15 / 5. Juni 2008
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Kreuzberger Nächte mit Fussball und Tiger

Keine Ahnung, wie mir Tiger bisher entgehen konnte. Tiger oder die Kralle von Kreuzberg ist ein stämmiger Deutsch-Türke, uniformhaft mit enger Lederjacke und bis zu den Augen herabgezogener Skikappe, Jogginghose und Nikes bekleidet, dessen sogenannter Kiez auch der meine ist und sich etwa vom Schlesischen zum Kottbusser Tor und noch ein wenig weiter zum Oranienplatz erstreckt.

Von ihm erfahren habe ich durch ein schönes Porträt, das Detlef Kuhlbrodt für die taz geschrieben hat, dabei kennt ihn, sagt Tiger, natürlich jeder in Kreuzberg. Vor allem seine Jungs, die unermüdlich an den Ecken stehen, Abzieher- und Touristentennismeisterschaften oder Miss-Pitbull-Wahlen ausrichten und sich bei Tiger Rat zu Freundinnen-Stress und Wetttipps holen oder auf der Tigerbank (eine Parkbank, von der aus er operiert) «so dreissig oder fünfunddreissig Euro» leihen. Tiger heisst im wirklichen Leben Cemal Atakan und erzählt seine spezielle Art türkisch-kreuzberger Folklore seit ein paar Jahren wöchentlich auf Radio Multikulti, einem aus fragwürdigen Spargründen gerade auslaufenden öffentlich-rechtlichen Programm.

Tiger macht uns auf ausgedehnten Arbeitsausflügen durchs Viertel mit Terror-Mehmet und seinem verrückten Kampfhund Zyscho-Mike bekannt, erzählt vom glücklosen Elektrik-Erhan, der vergebens sein Aussenklo beheizen wollte oder dem armen U-Bahn-Umut, der als «Gucker» für die Dealer an der U-Bahn-Station Görlitzer Bahnhof unter einen Zug geriet. «So», seufzt er, «ist das im Leben, weissu, mal gewinnt man, mal verliert man. Und das is Kreuzberg.» Kreuzberg-Style sind auch Turnschuhe, damit man der «Polisai» entgehen kann, die Alternativen Hartz IV oder Knast und der