Eine Szene während des Champions League-Finals unlängst in Moskau: die Tribünenkamera hat zwei korpulente, barbrüstige Manchester United-Fans mit schmucken russischen Armee-Kappen auf den Köpfen eingefangen. Arm in Arm prosten sie einander zu. Ein kleiner Schwenk nach rechts, und die Geschichte vervollständigt sich. Da stehen nämlich zwei grinsende russische Soldaten, zwar ohne Mützen, dafür aber mit zeltgrossen Manchester United-Trikots, die sie sich über die Uniform gezogen haben. Eine brüderliche Geste, die beim ernüchterten Erwachen tags darauf in der Kaserne vermutlich mit Strafdienst honoriert wurde. Bereuen werden die beiden Russen den Tausch aber wohl nicht: Authentische Fussball-Trikots mit beglaubigten Vereins- oder Nationalinsignien gehören zu den kraftvollsten rituellen Kleidungsstücken der Gegenwart. Und die Ursprünge dieses heidnischen Kults liegen naturgemäss im Mutterland des Fussballs – in England.
So wie an ihren Krawatten demonstrierten da die Abgänger renommierter Privatschulen und Universitäten im 19. Jahrhundert auch an der Farbe ihrer Trikots das Privileg ihrer Erziehung. Und wenn sie dann die Botschaft der Sportart in den Kontinent weitertrugen, nahmen sie dabei oft auch ihre Farben mit. Siehe etwa die Dunkelblau/Hellblau-Kombination der Trikots von Le Havre, einem von Oxford- und Cambridge-Studenten 1872 gegründeten Verein. Ein späteres, proletarisches Beispiel ist das rot-weiss- gestreifte Oberteil des Basken-Clubs Athletic Bilbao, importiert von Eisenbahn- und Minenarbeitern, die aus