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das kulturelle überformat
Nr. 6 / 29. Juni 2007
#Interview mit Mark Ronson
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musik
Interview mit Mark Ronson

Ist es nicht bloss ein Klischee, das Hip-Hop in der Krise steckt?

Nein, gar nicht. Die heutige Zeit erinnert mich an die mittleren siebziger Jahre, als Funk in Disco überging. Damals wurde lauter Musik für die Tanzfläche gemacht, die völlig substanzlos war und keinen Bezug zur Aussenwelt hatte. Damals begnügten sich Produzenten wie Van McCoy damit, das Publikum durch die neusten Tanzschritte wie «The Hustle» zu dirigieren. So ist es heute mit dem kommerziellen Hip-Hop, er ist zur Aerobics-Animation mutiert. Aber auf die Baisse folgt immer die Hausse, das ist mir schon klar: auf den abgeschlafften Stadion- Rock der Siebziger folgte ja auch der Punk. Nur habe ich keine Ahnung, woher die Rettung kommen wird.

Woran liegt die kreative Baisse? Fehlt es den Rappern und DJs am nötigen Fachwissen?

Man darf da nicht verallgemeinern. Im Gegensatz zu den USA gibt es in England immer noch eine wunderbare Kultur der Fachidiotie. Dort begegne ich immer wieder Leuten, die mich mit ihrer Begeisterung für die Musik infizieren. Ich denke auch, dass dieser Enthusiasmus mit ein Grund dafür ist, warum die Plattenverkäufe in England auch nicht so stark eingebrochen sind wie in den USA. Und dieser Esprit wird durch das Internet in die ganze Welt hinausgetragen: heute kann jeder ein Musiknerd sein, ganz egal, wo er sich befindet, und das ist ja etwas Positives.

Hat diese Begeisterung vielleicht auch etwas mit der Art und Weise zu tun, wie Musik in den US-Medien präsentiert wird? In Amerika läuft alles unter dem Banner des Showbusiness, während in Europa Musik noch als Kulturgut gilt.

Es kann schon sein, dass das etwas damit zu tun hat. Oder damit, dass das englische Radio nicht so stark formatiert ist wie das amerikanische. Die britischen Sender haben traditionell die grössere Bandbreite, und das ist auch ein Grund, warum ich einen derart breiten Musikgeschmack habe. Gleichzeitig schmälert der fortschreitende Paradigmenwechsel vom Tonträger zum Download den Kurswert der Musik. Wenn die Musik ungreifbar wird, weil man sie nicht mehr in Händen halten kann, verkommt sie unumkehrbar zur Wegwerfware.

Auf Ihrem Album «Version» bieten Sie Gegensteuer zu dieser Entwicklung. Sie interpretieren Rocksongs aus den letzten 20 Jahren, als wären diese Soul-Klassiker.

Mir wird oft der didaktische Anspruch unterstellt, ich wolle die Leute darauf bringen, dass auch heute noch grossartige Songs geschrieben werden. In Wirklichkeit hat das Konzept von «Version» eher praktische Gründe. Wenn ich in einem Club auflege, dann will ich auch Platten von Bands wie Queens Of The Stone Age spielen können, die mit Hip-Hop gar nichts am Hut haben. Das geht nicht immer gut, also habe ich einige Songs