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das kulturelle überformat
Nr. 6 / 29. Juni 2007
#Bücher über Bücher Teil 6
  5/5
literatur
Bücher über Bücher Teil 6

mit einem höchst verwirrenden Brief konfrontiert, in dem ein anonymer Besitzer das verschollene Manuskript eines Romans von Moby-Dick-Schöpfer Herman Melville anbietet. Auch dieser historisch belegte, aber nie aufgetauchte Roman namens «The Isle Of The Cross» handelt von Verlust, von Einsamkeit und unerfüllter Liebe. Die Literatur als Spiegel der eigenen Existenz. Doch nicht nur das. Literatur auch als Objekt der Begierde. Denn nun beginnen die Intrigen im «Arcade», weil jeder was von diesem «aufgetauchten» Melville abhaben möchte. Inmitten dieser Melange aus Gier, Sucht und unerfüllter Lust findet sich Rosemary wieder, die letztlich durch die Fehlbarkeit der anderen überhaupt erst in der Lage ist, sich als eigenständige Person in der neuen Welt wieder zu finden.

Dass in Sheridan Hays Roman vieles konstruiert wurde, ist offensichtlich. Die Kunst der Autorin besteht allerdings darin, dass sie an ihrem eigenen Konstrukt nicht scheitert. Da sie nicht als beobachtende dritte Person das Geschehene schildert, sondern dies ganz alleine der Hauptperson Rosemary überlässt, kreiert sie eine wertfreie Perspektive, die sich einzig an der Naivität der jungen Erwachsenen immer wieder stösst. «Im Alter», sagt der reife Mr. Mitchell von der Raritätenabteilung einmal, «tauscht man die Hoffnung mit Einsicht.» Dieses Buch überlässt die Einsichten dem Leser. Auch deswegen ist dieser Roman eines der erfrischendsten Debüts des Jahres.

Sheridan Hay, «Die Antiquarin», Roman, Originalausgabe: The Secret Of Lost Things (Doubleday), Deutsch von Judith Schwaab. 432 Seiten. Gebunden. Kindler Verlag Reinbek (D).
€ 19,90/CHF 34,90