In meinem Londoner Stammpub hängt eine digitale Jukebox, in der verwegene Spürnasen immer wieder unerwartete Juwelen entdecken. Stücke, die im Gegensatz zur neuesten Hitparadenware, die daraus üblicherweise ertönt, eine Reaktion provozieren. Wo nach ein paar Takten drei Leute aufspringen, um nachzuschauen, worum es sich handelt, während in einer anderen Ecke verärgertes Murren ausbricht. Nick Caves «Dig Lazarus Dig» ist so ein Stück. «Hurt» in der Version von Johnny Cash auch. Der spektakuläre «African Waltz» von Johnny Dankworth und seiner Big Band vom Februar 1961 erst recht. Und gerade hat jemand «Keep On Running», «Somebody Help Me» und «I’m A Man» entdeckt, drei der fünf kapitalen Hits, mit welcher die Spencer Davis Group das Jahr 1966 punktierte.
Zugegeben: ein bisschen liegt die Wiederentdeckung auf der Hand. «I’m A Man», gesungen von einem Hund, ziert gerade einen allerseits für recht amüsant befundenen TV-Spot für den Volkswagen Polo. Aber man will sich nicht beklagen, auch die postume Karriere von Nick Drake kam erst durch einen VW-Spot im amerikanischen Fernsehen recht in Schwung. Was an diesen Spencer Davis-Hits indes so erstaunt, ist die Frische – ja, die zeitgenössische Relevanz, mit der sie aus dem Computer röhren. Diese bluesige Art von Rock-Pop – etwas weniger melodiegebunden als die Beatles, etwas weniger rotzig als die Stones – hätte vor noch nicht allzu langer Zeit hoffnungslos altmodisch gewirkt. Jetzt, da eine neue Generation von Musikfans auf der Flucht vor dem Einheitssound der grossen Konzerne ihr Heil in den diversen Formen von «Roots»-Musik sucht (von Folk über Bluegrass bis Blues und Rhythm & Blues im angestammten Sinne), wirken diese vierzig Jahre alten Singles vital wie die neuesten Erscheinungen in den Indie-Charts. Das markanteste Merkmal der Spencer Davis Group war ihre Stimme: ein kehliger Tenor, deren Besitzer die in den Sixties und Seventies oft gestellte Frage «can white men sing the Blues?» als glatte Beleidigung empfunden haben muss.