Wie Opa, der vom Krieg erzählt
Ich erzähle mal ein bisschen von früher. Gerade war ja der 1. Mai, ein bekanntlich geschichtsträchtiges Datum in Kreuzberg, weil sich hier in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Polizei und so genannte Autonome, dem Selbstverständnis nach also linksradikale, parteilich ungebundene Politrebellen, harte Strassenschlachten lieferten.
Heute kommt es nur gelegentlich noch zu Zusammenstössen, wenn tausende junger und nicht mehr ganz junger Menschen durch Kreuzberg zum Lausitzer Platz traben, wo mich den ganzen Tag lang Punkbands von unten anschreien. Weiter vorne gibt es die ganze Oranienstrasse entlang das Myfest, das – von den Anwohnern mitgetragen – Gröbstes verhindern soll und lieber Musik, Essen und Getränke anbietet als Pflastersteine. Dutzende Einsatzwagen (Wannen genannt) der Polizei (Pigs genannt) sperren dennoch weitläufig die Gegend zwischen Moritzplatz im Westen und Lausitzer Platz im Osten für den Autoverkehr ab und das Volk schlurcht unbehelligt durch die Nachbarschaft. Die ich atmosphärisch nur kurz abends auf dem Heimweg vom Fitnessstudio angetestet habe, als ich einen Bekannten, den grossartigen Vorarlberger Avantgarde-Komponisten Moosbrugger, beim Bier im Café antraf. Der mir erzählte, dass er bald nach Hause müsse, weil der Verwalter seines Wohnblocks in der Oranienstrasse mit Einbruch der Nacht paranoiderweise den Eingang verrammle, damit nicht Betrunkene oder, womöglich Flüchtende durch den sehr schön begrünten Hinterhof trampelten.
Wie in den letzten Jahren blieb jedoch auch diesmal alles weitgehend friedlich, wenn man Massen sauber betrunkener und bekiffter Kids als friedlich durchgehen lassen will.
Es ist jedenfalls nichts gegen den sehr realen Belagerungszustand der Maifeiern früherer Tage.