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das kulturelle überformat
Nr. 5 / 31. Mai 2007
#Edward St. Aubyn
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literatur
Edward St. Aubyn

dieser Gesellschaft durch die Sprache. Als Leser kann man sich an einer Stelle belustigen lassen ob der Inhaltsleere dieser Protagonisten, um sich an anderer Stelle mit zugeschnürter Kehle wiederzufinden. Die Gesellschaft, die sich in den Werken von Evelyn Waugh spannend observieren lässt und die Oscar Wilde in nicht immer freundlichen, aber doch meist amüsanten Untertönen porträtiert hat, erhält unter dem Seziermesser dieses Autors eine bitterböse Fratze. In detaillierten, manchmal nur beiläufigen Gesten und anhand einer grossen Dialogkunst, gelingt es St. Aubyn das Existenzrecht einer ganzen sozialen Schicht zu hinterfragen. Da bleibt bloss die Frage: darf er das? Die Antwort darauf: wenn, dann er. St. Aubyn stammt nicht nur selbst aus adligem Hause, hinter seinem Roman steckt gar die autobiographische Abrechnung mit seinem eigenen Elternhaus. Die Romantrilogie, dessen zweiter Teil «Schlechte Neuigkeiten» im Herbst auf deutsch erscheint, verfolgt das Leben von Patrick (Alter Ego von Edward) weiter. Auf den sexuellen Missbrauch wird die Drogensucht folgen und der Versuch aus dem Schatten des widerwärtigen aber übermächtigen Vaters herauszutreten. Dank der hervorragenden Übersetzung durch Ingo Herzke, wird auch der zweite Teil zum literarischen Ereignis werden. Die englische Originalausgabe erschien bereits 1992 und man fragt sich zurecht, weshalb ein derart talentierter Schreiber nicht früher dem deutschen Publikum vorgestellt wurde.

Rudolf Amstutz





Edward St. Aubyn, «Schöne Verhältnisse», 188 Seiten, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln, 2007. Originaltitel: «Never mind» (Picador/Macmillan, London). Aus dem Englischen von Ingo Herzke. € 17,90/CHF 31,70