PJ Harvey: Wir wurden sehr rasch sehr enge Freunde. Auf die eine oder andere Art hatten wir immer irgendwie miteinander zu tun. Auch dann, wenn wir nicht konkret zusammen arbeiten, kommentieren wir die Arbeit des anderen. Wir wollen hören, was der andere von unserer Musik hält, denn es verbindet uns viel Respekt und Vertrauen.
Ihr beide habt oft mit kontinentaleuropäischen Künstlern gearbeitet, was für britische Musiker eher selten ist. Polly, bei Ihnen war es Pascal Comelade. John, Sie haben den französischen Singer/Songwriter Dominique A. und die Band Dionysos, dazu die Italiener Cesare Basile und Marta Collica produziert. Wie haben diese Begegnungen die eigene Musik beeinflusst?
PJ Harvey: Ich arbeite nur mit Leuten, deren Musik mir gefällt. Pascals Musik gefällt mir seit langem. Ich kenne nichts, was ich damit vergleichen könnte. Wenn ich mit anderen Leuten arbeite, lerne ich viel. Darum suche ich Künstler aus, deren Musik ich seit langem schätze und von denen ich weiss, dass ich auch ihre Gesellschaft schätzen würde.
Die Musik von Pascal Comelade mit ihren eigenartigen Melodien und den Spielzeuginstrumenten strahlt für mich eine Atmosphäre aus, wie ich sie sonst eigentlich
nur von der Literatur her kenne, von Robert Walser etwa oder Bohumil Hrabal. Es ist Musik, die sich meilenweit entfernt von der angelsächsischen Blues- und Folktradition bewegt. Ist es das, was Ihnen daran gefällt?
PJ Harvey: Ich liebe Pascals Musik, weil sie traurig und lustig und winzig und horrend ist, alles zur gleichen Zeit. Sie wirkt kindlich und simpel und naiv, aber sie hat auch eine sehr düstere, traurige Seite. Und es steckt doch viel Zufriedenheit darin. Es ist eine eigenartige Kombination. Ich muss dabei an Rummelplätze und das 19. Jahrhundert denken. Wie hiess nochmal dieser wunderbare Schwarz-Weiss- Film über den Zirkus? Egal – die Musik erinnert mich an Filme über das Zirkusleben vor langer Zeit. Ich finde es auch toll, wie er selbstgebaute Instrumente einsetzt, oder Instrumente, die er auf dem Flohmarkt gefunden hat. Ich fühle mich selber sehr hingezogen zu der geradezu körperlichen Greifbarkeit vom Klang organischer Instrumente – von alten oder gar kaputten Instrumenten.
Es ist eine theatralische Musik – und das bringt uns zurück zum neuen Album. Auf dem begleitenden Pressezettel ist die Rede davon, wie Sie zwei neue Stimmen entdeckt hätten, die Stimme einer alten Frau und die Stimme eines jungen Mädchens. Schlüpft man in eine neue Stimme wie in ein neues Kostüm?