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das kulturelle überformat
Nr. 12 / 6. März 2008
#Jonathan Littell
  4/6
literatur
Jonathan Littell

Neuausrichtung der Diskussion über die Täter, die ansonsten stets aus der Perspektive der Opfer geführt wurde. Um es mit einem einzigen Schlag zu vernichten, wie dies einige versuchten, dafür ist das Buch zu vielschichtig. Unter der Oberfläche dieses Max Aue lauern philosophische, gesellschaftliche und kulturelle Schichten, die der Autor mit Verweisen bis hin zur Antike aufblitzen lässt. Entscheidend ist nicht die Tatsache, dass Daniel Cohn-Bendit, wie er sagt, dass Buch bei der Lektüre mehrmals an die Wand geschmissen hat, sondern, dass er es danach wieder zur Hand nahm. «Die Wohlgesinnten» ist in der Tat schwer zu lesen. Es ist lang. Und es ist eiskalt. Aber letztlich geht es nicht um das Buch, sondern um den Leser. Wenn er in der Lektüre nicht nach eigener Bestätigung sucht, dann sollte er die Reise wagen. Wem dies zu unbequem ist, dem sei das fast zur gleichen Zeit erschienene Buch des französischen Bestsellerautoren Eric-Emmanuel Schmitt zu empfehlen. In «Adolf H.» schreibt Schmitt die Geschichte um, in dem er Hitler 1908 die Prüfung zur Kunstakademie bestehen lässt. Und so einfach wird aus dem personifizierten Bösen ein Künstler. Kein Holocaust, keine Nazis. Schmitt hat – wie einige Literaturkritiker auch – sich einmal mehr der Komplexität verweigert. Wohl dem, der sich in einer Welt voller «Daumen rauf» und «Daumen runter» und einer Bewertung von null bis fünf Sternen wohlfühlt. Doch nicht immer lässt sich die Realität damit einfangen. Im Falle von «Die Wohlgesinnten» schon gar nicht.

Stimmen zu «Die Wohlgesinnten»:
Das ungelöste Geheimnis, warum unsere Großväter zu mitleidlosen Mördern wurden, hat dieser Roman nicht gelöst.
Iris Radisch, Literaturkritikerin «Die Zeit»


Ich war erschlagen. Littell ist sehr begabt. Ich kenne das, worüber er schreibt. Was mich zuallererst erstaunt hat: die absolute Exaktheit. Alles stimmt. Die Namen der Leute, der Orte. Ich habe mir gesagt, die beiden einzigen Menschen, die dieses Buch von A bis Z verstehen können, sind Raul Hilberg und ich.
Claude Lanzmann, Regisseur von «Shoah»