Ein Problem, das mich durchaus bewegt hat bei der Lektüre. Bei der ersten Ankündigung dieses Buchs – ein jüdischer Autor im Körper eines SS-Killers – wusste ich: Das wird schrecklich. Und: Ich werde es lesen müssen. Und es wurde schrecklich. (…) Bloß: was hat man erwartet? Dass wir so etwas erzählt bekommen in Thomas Mannscher Distanzschreibe? Literarisch poliert? Das genau wäre ein Verbrechen gewesen. Ich habe Furchtbares erwartet und Furchtbares bekommen; und habe etwa 700 Seiten gebraucht, bis ich kapiert habe: das geht nur so…
Klaus Theweleit, Professor für Kunst und Theorie
Die historischen Fakten von «Die Wohlgesinnten» sind unstrittig. Die Diskussion um dieses Buch hat dennoch wieder die Moralkeulen schwingenden Sittenwächter des Literaturbetriebs auf den Plan gerufen und läuft auf eine typisch deutsche Darf-der-das-Debatte hinaus. Darf man den Holocaust aus der Täterperspektive zeigen? Darf man die Ideologie, die Beweggründe und Motive der Nazis darstellen? Darf man das Leid der historischen Erfahrung als künstlerisches Spielmaterial benutzen? Ja, man darf. Wenn man es kann. Jonathan Littell kann.
Denis Scheck, Literaturkritiker «druckfrisch» ZDF
In gewisser Hinsicht hat Littell mit den «Wohlgesinnten» geschaffen, was mir vorschwebte – und das zu schreiben mir nicht gelang. Die Erinnerung an den Genozid wie an die Résistance stirbt, wenn sich nicht junge, nachgeborene Schriftsteller dieser Stoffe annehmen. Bald wird es keine überlebenden Zeitzeugen mehr geben. Natürlich haben wir die Zeugnisse der Opfer und die Dokumente in den Archiven. Die Historiker werden weiter über den Zweiten Weltkrieg schreiben. Aber nur die Dichter können das Erinnern erneuern. Das hat jetzt ein vierzigjähriger Amerikaner, der Französisch schreibt, gemacht. Littell hat keine existentiellen Verbindungen zu den Ereignissen, die er literarisch darstellt.
Jorge Semprun, Autor, Buchenwald-Überlebender, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels