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das kulturelle überformat
Nr. 12 / 6. März 2008
#Kolumne von Markus Schneider, Berlin
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gedankengang
Kolumne von Markus Schneider, Berlin

Die Vorschriften zur Unnahbarkeit und das Rückzugsbedürfnis von angeblichen Giganten wie den Stones oder Madonna stellten dabei die meisten Oscarträger weit in den Schatten. Und auch interessante Musiker wie Neil Young oder Damon Albarn kommunizierten nicht über unmittelbar Vertraute hinaus. Wie natürlich auch nicht Scarlett Johansson, die dafür ein sehr hübsches Dekolleté vorführte und kein Wort über ihr Tom-Waits-Projekt verlor (wie auch wir nicht, weil sonst Berufsverbot und Apokalypse drohen). Sagen darf man wohl, dass sie vor einiger Zeit eine sehr kompetente, klassische Version von «Summertime» aufgenommen hat. Klassisch auch ein Dokfilm über «Heavy Metal in Bagdad», ein berührendes Stück über die einsame, einzige Metalband des Irak und ihre Schwierigkeiten zwischen Huldigungsrock für Saddam, zerbombten Übungskellern und Instrumenten bis zum traurigen Exil. Die Protagonisten konnten nicht nach Berlin kommen, weil ihre altersschwachen Papiere aus der Vorbefreiungszeit an deutschen Grenzen nicht ernst genommen werden konnten. Dafür hatten die Produzenten, Abgesandte des notorischen amerikanischen Vice-Magazins, die beste Party des Filmfests. In einem leeren, geweisselten Provisorium auf der Friedrichstrasse, ehemals ein Kino, schenkten sie ausschliesslich Bier und Wodka aus und die Sleazeperformerin Peaches – zu deren «Fuck the Pain Away» Madonna angeblich joggt – legte dazu ihren Lieblingsmetal auf. Nicht ganz so schwer wie der Emma-Sturm und weniger psychedelisch durchgeknallt als Erykah Badu. Aber dafür musste man auch keine Möbel wegräumen, um es zu geniessen.

Markus Schneider